Kalbotyra ISSN 1392-1517 eISSN 2029-8315

2022 (75) 107–132 DOI: https://doi.org/10.15388/Kalbotyra.2022.75.5

Intensivierer und epistemische Adverbiale – Zur Geschichte von echt

Bjarne Ørsnes
Department of Management, Society and Communication
Copenhagen Business School
Dalgas Have 15
DK-2000 Frederiksberg, Denmark
E-mail: bo.msc@cbs.dk

Intensifiers and epistemic adverbials – On the history of German echt ‘really, lit. real/genuine’

Abstract. Adverbials of truth or reality such as really (en.), wirklich (de.), verdaderamente (sp.) are cross-linguistically assumed to be a rich source for intensifiers (degree words) as in: (i) Peter is really nice. The epistemic adverbial is reanalysed as a modifier of a predicative adjective in a syntactically ambiguous sentence as in (i). At the same time the emphasis on the truth of the proposition invites the inference that the property in question is amply present. This view on the emergence of intensifiers from adverbials of truth is challenged by the German intensifier echt ‘really, lit. genuine/real’ as in: (ii) Peter ist echt nett ‘Peter is really nice’. In contemporary German echt is very popular as an intensifier, a proposition modifier, a speech-act modifier and a response particle. However, a diachronic analysis of the use of echt as an adverbial in New High German reveals that the intensifier reading develops much earlier than the reading as a proposition modifier, i.e. an epistemic adverbial. The article offers a discussion of the development of echt which sheds a somewhat different light on the relation between intensifiers and epistemic adverbials, and it suggests a unified analysis of the uses of echt in contemporary German which supports Traugott’s view of grammaticalisation as also encompassing an extension of structural scope.
Keywords: intensifier, epistemic adverbials, reanalysis, grammaticalisation
Schlüsselwörter: Intensivierer, epistemische Adverbiale, Reanalyse, Grammatikalisierung

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Submitted: 27/10/2022. Accepted: 17/12/2022
Copyright © 2022
Bjarne Ørsnes. Published by Vilnius University Press
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License, which permits unrestricted use, distribution, and reproduction in any medium, provided the original author and source are credited.

1 Einleitung

Epistemische Adverbiale,1 die die Wahrheit einer Proposition betonen wie wirklich (de.), really (eng.) und verdaderamente (sp.), gelten sprachübergreifend als eine maßgebliche Quelle für Intensivierer:2 Peter is a really nice guy (Bolinger 1972; Klein 1998; van Os 1989; Defour 2012; Breban & Davidse 2016; Heine & Kuteva 2002; Kirschbaum 2002; Lorenz 2002; Manzano 2018). Das Adverbial wird in einer syntaktisch zweideutigen Struktur als Adjektiv­modifikator3 mit intensivierender Funktion reanalysiert. Semantisch beruht die Reanalyse auf der naheliegenden Schlussfolgerung: ist es wirklich wahr, dass ein Bezugsargument durch eine Eigenschaft gekennzeichnet ist, ist diese Eigenschaft vermutlich auch stark ausgeprägt.

(1) Peter is [really] [nice]. Peter is [really nice].

Die Frage ist, ob dieses Szenario auch für das deutsche echt gilt. Im heutigen Deutsch erfreut sich das (Adjektiv-)Adverbial echt einer großen Popularität als Intensivierer (2), assertives Satzadverbial (3) und Dialogpartikel (4) – neben seiner herkömmlichen Verwendung als Adjektiv/Ad­verbial mit der Bedeutung ‘unverfälscht/ty­pisch’ wie in (5).

(2) Peter spielt echt schön auf der Stradivari. (‘sehr’)

(3) Peter spielt echt eine Stradivari. (‘tatsächlich’)

(4) A: Peter spielt eine Stradivari!

B: Echt? (‘tatsächlich’)

(5) Die Stradivari sieht echt aus. (‘unverfälscht’)

Echt ist im wahrsten Sinne des Wortes polyfunktional (vgl. van Os 1989, 85; Breindl 2007, 401) und die unterschiedlichen Lesarten lassen sich häufig nicht eindeutig festlegen.

(6) Peter hat echt geweint. a) ‘Peter hat tatsächlich geweint’ (Satzadverbial)

b) ‘Peter hat richtig geweint (nicht gespielt)’ (Modaladverbial)

c) ‘Peter hat sehr geweint’ (Intensivierer)

Wie lässt sich diese Polyfunktionalität beschreiben und wie ist sie entstanden? Ausgehend von einer Diskussion der synchronen Funktionen von echt wird eine einheitliche Analyse präsentiert, die eine für alle Anwendungen von echt gemeinsame Kernbedeutung aufstellt und die zunehmende Gram­matikalisierung in (2) bis (4) als eine semantische Reduktion und eine Erweiterung des Sko­pus von echt beschreibt. Insbesondere richtet sich das Augenmerk auf das Verhältnis zwischen der Intensivierer-Lesart und der Lesart als Satzadverbial in (2) und (3). Eine diachrone Korpusuntersuchung von echt im Neuhochdeutschen zeigt, dass der Intensivierer früher auftritt als das Satzadverbial. Echt wird schon im 19. Jh. überhaupt vorwiegend als Adjektivmodifikator verwendet und schon in dieser Zeit lässt sich eine intensivierende Funktion von echt belegen. Erst am Ende des 20. Jh. finden sich (eindeutige) Belege von echt als Satzadverbial. Die Geschichte von echt bestätigt somit eine enge Verbindung zwischen Adverbialen aus dem Bereich der ‘Wahrheit’ und Intensivierern wie sie in der eingangs angeführten Literatur beschrieben wird, aber nicht die Direktionalität: das Intensivierer-echt scheint nicht aus einer Verwendung als Satzadverbial hervorgegangen zu sein.

Diese Untersuchung kann also nicht Autenrieths (2002) Hypothese von einer frühen modalpartikel-ähnlichen Semantik von echt bestätigen. Autenrieth vermutet, dass echt schon im (Früh-)Neuhochdeutschen eine epistemische Interpretation ‘wirklich, richtig’ aufweist, die in süddeutschen Dialekten anzutreffen ist und als subjektive („einstellungsbezo­gene“) Interpretation von einer untergegangenen alt- und mittelhochdeutschen Modalpartikel echert/e(ch)t übernommen sein könnte (S. 175).4 Man hätte aufgrund dieser Hypothese schon früh eindeutige Belege von echt als Satzadverbial oder Modalpartikel mit der Interpretation ‘wirklich’ erwarten sollen, was nicht der Fall ist. Auch Autenrieth stellt in ihrer Untersuchung von Texten aus dem 17. bis zum frühen 20. Jh. fast keine Verwendung von echt als Adverbial und gar keine als Satzadverbial fest (S. 174). Die heutige Verwendung von echt als Satzadverbial oder Intensivierer wird also kaum durch eine etwaige Übernahme einer subjektiven Semantik von einer nicht mehr existierenden Modalpartikel erklärt.

Das Material

Die diachronen Untersuchungen wurden mithilfe der Korpora des Digitalen Wörterbuchs der Deutschen Sprache (DWDS) durchgeführt.5 Für die diachrone Analyse von echt wurde das DTA-Kernkorpus (Deutsches Text Archiv) und das Kernkorpus (1900–1999) wegen der relativ überschaubaren Zahl von Belegen quantitativ ausgewertet. Für die qualitative Analyse der Lesarten wurden weitere Belege aus den Historischen Korpora herangezogen. Für die Untersuchung von echt als Satzadverbial und Dialogpartikel wurde wegen fehlender Belege in den historischen Korpora das Kernkorpus (1900–1999) quantitativ ausgewertet. Hier wurde die qualitative Untersuchung ferner um Belege aus dem DWDS-Kernkorpus 21 (2000–2010) ergänzt. Gesucht wurde in jedem Fall nach Belegen mit unflektiertem echt oder ächt mit Groß- oder Kleinschreibung. Ferner wurden auch einige Belege aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) und aus dem Internet miteinbezogen. Die qualitative und quantitative Auswertung erfolgte ausschließlich durch den Verfasser. Beispiele ohne Belegquelle sind konstruiert.

2 Die vielen Gesichter von echt (synchron)

Echt hat im heutigen Deutsch mehrere Verwendungen. Als lexikalisches Wort (Inhaltswort) beschreibt echt eine besondere Qualität einer anderen Eigenschaft als unverfälscht oder typisch (echt italienisch). Als grammatikalisiertes Wort (Funktionswort) beschreibt echt eine besondere Sprecherperspektive, indem eine Eigenschaft besonders hervorgehoben (echt toll) oder die Wahrheit/Gültigkeit einer Proposition besonders betont oder hinterfragt wird (Hast du das echt entschieden?). Wie schon (6) zeigt, können diese beiden Verwendungen dabei nicht immer getrennt werden. Vielmehr bilden die lexikalischen und grammatikalisierten Lesarten ein Kontinuum. Beispiel (7) zeigt echt mit einem nicht-skalierbaren Adjektiv. Bei einer eher lexikalischen Lesart von echt als ‘unverfälscht’ ist der Wein ‘original italienisch’. Der Wein kann aber auch von Geschmack oder Farbe her ‘typisch italienisch’ sein, jedoch aus Spanien stammen. Von dort gibt es einen fließenden Übergang zu einer rein intensivierenden Funktion im Sinne von ‘sehr italienisch’, wie man es von echt mit skalierbaren Adjektiven (echt toll) kennt (s. Abschnitt 3.1).

(7) Das ist ein echt italienischer Wein.

Die Frage ist hier, ob es zwei homophone Wörter echt1 und echt2 gibt oder nur ein polyfunktionales echt, das sozusagen alles kann (vgl. Hopper & Traugott 2003, 1). Hier wird der letztere Ansatz verfolgt. Es gibt nur ein echt und die lexikalischen und eher verblassten, grammatikalisierten Lesarten existieren nebeneinander. Echt scheint somit ein Fall von ‘Persistence’ (Hopper 1991, 22) zu sein, wobei das Wort Polysemie zwischen lexikalischen und grammatikalisierten Lesarten aufweist.6

2.1 Lexikalisches echt

Echt ist vor allem ein Adjektiv mit der Bedeutung ‘unverfälscht’/‘typisch’ wie in (8).

(8) Das ist eine echte Blume.

Dabei ist echt ein Adjektiv besonderer Art. Auf den ersten Blick scheint echt redundant zu sein (Partee 2010, 280): ist wie in (9) von einer Blume die Rede, gilt sie erwartungsgemäß als echt.

(9) Das ist eine Blume. Das ist eine echte Blume.

In (9) denotiert das Substantiv Blume als Default die Menge der organischen Blumen. In (8) ist es anders: hier scheint Blume nicht nur die organischen, sondern auch die künst­lichen Blumen zu denotieren und echt sondert die echten Exemplare aus, d.h. die Menge der organischen Blumen (Partee 2010, 279/280). In der Analyse von Partee erweitert echt die Denotation des Kernsubstantivs dahin­gehend, dass sie sowohl echte als auch unechte Exemplare umfasst. Anschließend sondert echt die Teilmenge von Exemplaren aus, die in hohem Maße die Eigenschaften einer Blume besitzen. Echt ist somit ein subsektives Adjektiv: es definiert eine Teilmenge und verleiht der Substantiveigenschaft eine besondere Qualität als ‘echt’ (ein x ist als Blume echt).

Als Adverbial kommt lexikalisches echt als Depiktiv (‘lockeres Prädikativ’) (10), als Modaladverbial (Adverbial der Art und Weise) (11) und als Adjektivmodifikator vor (12).

(10) Dieses Gewürz kann man nur in Griechenland echt kaufen.

(11) Peter hat tatsächlich echt geweint, nicht gespielt.

(12) Das ist ein echt französischer Champagner.

Echt wird hier im Sinne von ‘unverfälscht/unimitiert’ verwendet: Das Gewürz ist die echte Ware, Peter hat richtig geweint und der Champagner ist (in der lexikalischen Lesart) original franzö­sisch.

Als selbständiges Adverbial kann das lexikalische echt im Gegensatz zu dem gram­matikalisieren echt im Vorfeld stehen und modifiziert wer­den.

(13) <...>; echt hätte es vielleicht hundert Mark Wert gehabt.7

(14) Peter hat ganz echt geweint.8

Auch kann das lexikalische echt im Skopus der Negation sein. In (15) kann echt nur ein Modaladverbial mit der Bedeutung ‘in echter Weise/richtig’ sein. Für echt als Adjektivmodifikator finden sich allerdings kaum authentische Beispiele mit echt im Skopus der Negation (16).

(15) Ich werde ihn nicht echt fressen, meine Tonne soll ihn fressen.9

(16) ? Ein nicht echt geführtes Interview.

Für das lexikalische echt als Adverbial gilt ebenfalls, dass echt eine Teilmenge aus der Denotation seines Be­zugs­ausdrucks aussondert. In (11) denotiert weinen sowohl das spontane als auch das vorgetäuschte Weinen und echt sondert das spontane Weinen aus. Schon beim lexikalischen echt kündigt sich eine intensivierende Funktion an: es werden die besten/prototypischen Exemplare aus der Denotation des Bezugsausdrucks ausgewählt.

2.2 Grammatikalisiertes echt

In der grammatikalisierten Verwendung tritt die ursprüngliche lexikalische Bedeutung von echt als ‘unverfälscht/typisch’ hinter einer eher quantifizierenden oder hervorhebenden, auf einer subjektiven Einschätzung beruhenden Funktion zurück und gleichzeitig erweitert sich der Skopus von echt. Dabei ist der Übergang zwischen dem lexikalischen und dem grammatikalisierten echt wie bereits erwähnt fließend.

2.2.1 Echt mit Bezug auf eine Konstituente

In grammatikalisierter Verwendung tritt echt am häufigsten als Intensivierer (‘Intensitätspartikel’ bei Duden 2006) auf. Intensivierendes echt bezieht sich auf Ad­jek­tive (17), (evaluative) Substantive (18), Adverbien (19), Verben (20) und auf PPs (21), die wie die Bezugskonstituenten in (17a) und (18) in der Regel als Prädikative auftreten.10 Echt alterniert (außer bei (18)) durchgehend mit sehr. Als Intensivierer nimmt echt „Bezug auf den Ausprägungs­grad einer Eigenschaft“ eines Bezugsargu­ments (Breindl 2007, 399). In (17) wird die Eigenschaft ‘nett’ als eine in hohem Maße zutreffende Charakterisierung des Bezugsarguments ausgewiesen (vgl. die ‘metasprachlich affirmative’ Verwendung in 3.1.3) und damit ist diese Eigenschaft auch stark ausgeprägt. Bei van Os (1989, 243) bezeichnet echt „eine extrem hohe Stufe“ einer Eigenschaft.

(17) a. Peter ist echt nett.
b. Peter ist ein echt netter Typ.

(18) Das ist echt Wahnsinn.

(19) Peter fährt echt gern Auto.

(20) Peter hat sich echt gefreut.

(21) Peter ist echt in Stimmung.

In (17a) und (18)-(21) lässt sich nicht entscheiden, ob echt als Adjektivmodifikator (z.B. Peter ist [echt nett]) oder als Satzadverbial (Peter ist [echt] [nett]) auftritt. Es gibt dazu noch kaum einen Bedeutungsunterschied. Als Satzadverbial hebt echt hier die Wahrheit einer Proposition hervor (s. 2.2.2), was oft mit einer Intensivierung einhergeht: wenn z.B. in (19) besonders betont wird, dass Peter gern Auto fährt, kann man daraus schließen, dass er sehr gern Auto fährt (Bolinger 1972, 94; Paradis 2003, 194, u.a.).

Zwischen dem lexikalischen und dem grammatikalisierten echt als Adjektivmodifikator gibt es kaum syntaktische Unterschiede. Nur scheint das grammatikalisierte, intensivierende echt nicht modifiziert oder negiert werden zu können, vgl. (22) and (23).

(22) Eine (*ganz) echt tolle Veranstaltung.

(23) Ein (??nicht) echt alter Mann.

2.2.2 Echt mit Bezug auf die Proposition

In (24) bezieht sich echt nicht auf die Eigenschaft eines Bezugsarguments, sondern auf eine Eigenschaft der Proposition, und zwar die Wahrheit der Proposition (u.a. Androutsopoulos 1998, 343). Eine Paraphrase von (24) wäre: ‘Es ist echt wahr, dass ...’. Mit der Betonung der Wahrheit wird der entgegengesetzte Fall mit Nachdruck ausgeschlossen, nämlich dass die Proposition nicht wahr ist. Echt alterniert hier mit tatsächlich oder überhaupt.

(24) Peter hat echt entschieden zu heiraten. Wer hätte das gedacht?

In syntaktischer Hinsicht unterscheidet sich echt als Satzadverbial von dem lexikalischen echt darin, dass es nicht vorfeldfähig ist und auch nicht modifiziert werden kann.11

(25) a. * Echt hat Peter entschieden zu heiraten.
b. Peter hat (*ganz) echt entschieden zu heiraten.

Als Satzadverbial kommt echt auch nicht im Skopus der Negation vor. In (26a) ist nur eine Interpretation als Satzadverbial möglich (vgl. van Os 1989, 209), während echt in (26b) nur als ein Modaladverbial verstanden werden kann.

(26) a. Die Überwachung wurde echt nicht aufgegeben. (‘tatsächlich nicht aufgegeben’)
b. Die Überwachung wurde nicht echt aufgegeben. (‘nicht richtig aufgegeben’)

Ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung von Satzadverbialen und Modaladverbialen ist die Stellung vor oder nach einem w-Indefinitpronomen als Objekt (Pittner 2004). W-Indefinit­pronomen sind stellungsfest und stehen als Objekt immer in der kanonischen Objektposition. In (27) kann echt als Satzadverbial nur in der Position vor was vorkommen, als Modaladverbial scheidet echt aus semantischen Gründen aus.

(27) a. Ich habe echt was entdeckt. (‘tatsächlich’)

b. ??Ich habe was echt entdeckt. (‘richtig/sehr’)

Auch andere Adverbiale können zur Disambiguierung beitragen. In (28a) steht echt als Satzadverbial am Anfang des Mittelfeldes und unterscheidet sich dadurch von echt als Modaladverbial oder Intensivierer wie in (28b).

(28) a. Peter hat echt die ganze Zeit geweint. (‘tatsächlich’)
b. Peter hat die ganze Zeit echt geweint. (‘richtig/sehr’)

Solche syntaktischen Unterscheidungsmerkmale sind aber eher eine Seltenheit. Insbesondere ist die Unterscheidung zwischen Modaladverbial und Satzadverbial oft kaum möglich wie in (29).12

(29) Ich habe echt versucht dir zu helfen. a. ‘Ich habe tatsächlich/überhaupt versucht ...’
b. ‘Ich habe richtig versucht ...’

In der Funktion als Satzadverbial spricht van Os (1989, 85) von echt als ‘Beteuerung’: Echt beteuert die Wahrheit einer Proposition und verhält sich damit wie die sog. assertiven Satzadverbiale wie tatsächlich, absolut oder selbstverständlich (Zifonun et al. 1997, 1125). Ihnen gemeinsam ist, dass das Adverbial nicht zum propositionalen Inhalt gehört und ohne Informationsverlust weggelassen werden kann (Peter hat echt alles vergessen Peter hat alles vergessen). Das Adverbial bestätigt die Wahrheit, wobei man als Hörerin immer davon ausgeht, dass eine Sprecherin13 die Wahrheit spricht (Grice 1975). Wie Ball­weg (2007) ausführt, muss der besondere Fokus auf die Wahrheit durch Folgerungen (‘Implikaturen’) vonseiten der Hörerin kommunikativ relevant gemacht werden. Eine solche Folgerung wäre z.B., dass eine Eigenschaft außerordentlich hervortretend ist wie bei (19) erwähnt. In dem Fall decken sich Beteuerung und Inten­si­vie­­rung (Androutsopoulos 1998, 343; Kirschbaum 2002, 214). Eine andere Folgerung wäre, dass die Wahrheit der Proposition unerwartet oder noch nicht wahrgenommen wurde, d.h. dass ein Kommunikationsteilnehmer (im Falle von echt scheint es immer die Sprecherin selbst zu sein) vermutet oder den Verdacht hegt, dass nicht(p) gilt (u.a. Paradis 2003, 198). In (24) zeigt sich die Sprecherin eben überrascht.

2.2.3 Echt mit Bezug auf den Sprechakt

Als Satzadverbial bezieht sich echt auf die Wahrheit der Proposition. In (30) dagegen kommt echt in einem Imperativ-Satz vor und es gibt keine Wahrheit/Gültigkeit, die betont werden könnte. Ein Imperativ ist als direktiver Sprechakt eine Aufforderung, eine Handlung wahr werden zu lassen, und an sich weder wahr noch falsch. Beispiel (31) ist kein Satz, sondern eine performative Äußerung, die nur aus einem Substantiv besteht. Dabei sind performative Äußerungen immer wahr und eine Betonung der Wahrheit wäre in der Tat redundant - es gibt gar keinen entgegengesetzten Fall, den man ausschließen könnte.

(30) Geh echt zum Arzt! 14

(31) Echt Glückwunsch!

In (30) und (31) alterniert echt ferner kaum mit tatsächlich, richtig oder sehr.

(32) Geh (?tatsächlich / *richtig / *sehr) zum Arzt!

(33) (?tatsächlich/??richtig/?sehr) Glückwunsch!

Imperative erlauben keine epistemischen Satzadverbiale und echt wird wohl in (30) und (31) als ein Modaladverbial verwendet. Die Beispiele lassen sich mit dem Zusatz ‘... und ich meine es echt’ paraphrasieren. Echt verstärkt hier die illokutionäre Absicht (‘illocutionary point’) des Sprechakts (vgl. Holmes 1984). In (30) wird die Aufforderung an die Hörerin verstärkt und in (31) wird der Ausdruck der Freude für den Hörer verstärkt. Diese Verstärkung der illokutionären Absicht geht mit einer Verstärkung der sog. Aufrichtigkeits­bedingung (‘Sincerity Condition’) einher.15 Die Ausführung eines Sprechakts ist Ausdruck einer besonderen Einstellung des Sprechers zu dem propositionalen Inhalt des Sprechakts (Searle 1976, 4). In (30) möchte der Sprecher in hohem Maße, dass die Hörerin einen Arzt aufsucht, und in (31) freut sich der Sprecher in hohem Maße für den Hörer.

2.2.4 Echt mit Bezug auf andere Äußerungen im Diskurs

Grammatikalisiertes echt mit Wahrheitsbezug kommt auch als Dialogpartikel vor, d.h. als eigenständige Äußerung mit Bezug auf einen Turn wie im folgenden Dialogausschnitt.

Echt bezieht sich in Z. 0185 auf den propositionalen Diskursreferenten (Ja, ich muss arbeiten) und signalisiert dem Gegenüber, dass die Information zur Kenntnis genommen und als neu eingestuft wird (Imo 2009, 80; Gubina & Betz 2021, 376). Bei interrogativem Echt? (mit steigender Intonation), wie vermutlich in Z. 0185, gilt die Information ferner als überraschend und unerwartet (Imo 2009, 80). Gubina & Betz (2021, 375) sprechen hier von einem „Newsmark“ und zählen Echt? wie das englische really zu den „assertions of ritualized disbelief“. Echt? stellt die Wahrheit des Fremdbeitrages in Frage (‘Stimmt das echt?’) und lädt zu einer Rückversicherung oder einer Elaborierung ein, wie es in BLL3s Antwort in Z. 0186 auch der Fall ist (vgl. Heritage 1984, 340; Imo 2009, 80).

Bei assertivem echt (mit fallender Intonation) wie in (35) bestätigt die Sprecherin die Wahrheit eines Fremdbeitrags und stimmt dabei der Einschätzung zu.

(35) A: Peter ist sehr nett!
B: Echt!

Assertives echt kommt darüber hinaus mit Bezug auf einen eigenen Redebeitrag vor wie in dem monologischen Text in (36).16

(36) 24 Musik Das gibts: Die Beatles haben eine neue CD draussen. Echt!17

Hier wird mit echt nachträglich die Wahrheit der vorhergehenden Proposition betont und die Information damit als neu und überraschend ausgewiesen. Diese im Grunde redundante Betonung der Wahrheit hat hier einen besonderen rhetorischen Effekt. In (36) scheint die Sprecherin die Ungläubigkeit des Hörers vorwegzunehmen (im Sinne von ‘Nehmen Sie es mir ab!’). Ein nachträgliches echt kann auch mit einer Inten­sivierung wie in (37) einhergehen: die Betonung der Missstände legt eben einen hohen Ausprägungsgrad derselben nahe (van Os 1989, 86).

(37) Ein Enddreißiger: „Das ist doch ein Scheißhaufen. Echt. Das gibt’s doch gar nicht!“18

2.3 Eine Kern-Bedeutung für lexikalisches und grammatikalisiertes echt

Echt wird hier als polyfunktional beschrieben, weil für alle Verwendungen eine gemeinsame Kernbedeutung herausgearbeitet werden kann. Wie im Abschnitt 2.1 dargelegt, wählt echt als subsektives Adjektiv eine Teilmenge der Denotate des Kernsubstantivs aus, für die die Substantiv-Eigenschaft besonders zutreffend ist. Ein Referent ist nur in Bezug auf eine besondere Eigenschaft echt, z.B. die Eigenschaft Blume. Echt ist somit eine Qualität einer Eigenschaft (Zifonun et al. 1997, 988) und keine Eigenschaft eines Referenten an sich. Für (38) ist die Repräsentation in (38a) daher nicht adäquat: es trifft nicht zu, dass der Referent x eine Blume ist und dass x (im absoluten Sinne) echt ist (‘x ist eine Blume und x ist echt’). x is nur echt in Bezug auf die Eigenschaft Blume, wie die Reprä­sen­tation in (38b) zeigt (‘x ist als Blume echt’).

(38) Das ist eine echte Blume.
a. # ∃x: blume(x) ∧ echt(x)
b. ∃x: (echt(blume))(x)

Für echt (und andere Intensivierer) schlägt Detges (1998, 15) das Konzept „in hohem Maße einer Eigenschaft entsprechen“ vor. Dabei ist diese Bedeutung schon in dem lexikalischen echt als subsektives Adjektiv angelegt, wie in 2.1 besprochen. Eine Kernbedeutung von echt wäre demnach (in Pseudonotation):

(echt(P))(x): Die Eigenschaft P trifft für den Referenten x in hohem Maße zu.

Eine echte Blume ist somit ein Gegenstand, für den die Eigenschaft blume in hohem Maße zutrifft (z.B. dass sie organisch ist). Ähnlich gilt für die Anwendung als Intensivierer, dass eine echt nette Kollegin eine Person ist, für die die Eigenschaft nett in hohem Maße zutrifft.

Echt kann sich nun auf Eigenschaften unterschiedlicher Art beziehen. Als Satzadverbial betont echt die Wahrheit der Proposition. Beto­nung der Wahrheit wie in (39) kann mit Höhle (2018, 383) als Fokus auf eine abstrakte Eigenschaft wahr verstanden werden.

(39) Peter hat echt entschieden zu heiraten.

Für (39) wäre eine Paraphrase somit: Für die Proposition Peter hat entschieden zu heiraten trifft die Eigenschaft wahr in hohem Maße zu. Da wahr eine binäre Eigenschaft ist und kaum mehr oder weniger zutreffen kann, entstehen besondere Interpretationen (‘Implikaturen’) wie im Abschnitt 2.2.2 dargelegt. Bei dem Sprechakt-bezogenen echt in (30) bezieht sich echt auf die Stärke der illokutionären Absicht, die als eine Eigenschaft einer Äußerung verstanden werden kann. Eine Paraphrase von (30) wäre demnach: Für die Äußerung Geh zum Arzt! trifft die Eigen­schaft direktiv in hohem Maße zu, d.h. sie ist besonders ernst gemeint.

Als Kernbedeutung von echt gilt also, dass die mit echt ausgezeichnete Eigenschaft für einen Referenten in hohem Maße zutrifft. Bei den eher grammatikalisierten Verwendungen wird diese Beurteilung immer stärker in eine Sprecherperspektive verlagert. Außerdem geht es um die Quantifizierung einer Eigenschaft, eher als um Echtheit im engeren Sinne. Hinzu kommt eine Ausdehnung des Skopus von echt auf Eigenschaften der Proposition, des Sprechakts und anderer satzwertiger Diskursreferenten wie z.B. Turns eines Dialogs, vgl. (34). Eine solche Ausdehnung des Skopus kann nach Traugott (2003, 643) auch als ein Kennzeichen von Grammatikalisierungsprozessen gelten.

3 Zur Entstehung des grammatikalisierten echt (diachron)

Epistemische Satzadverbiale gelten in der Literatur als eine maßgebliche Quelle für Intensivierer (vgl. die Hinweise in der Einleitung). Die Betonung der Wahrheit einer Proposition geht mit einer Intensivierung einher. So bemerkt u.a. Bolinger (1972), dass die Hervorhebung des ganzen Dictums durch ein Satzadverb wie truly in (40) die Hervorhebung einer besonderen Eigenschaft impliziert (S. 94).

(40) He is truly a foolish person. He is very foolish.

Eine besondere Rolle spielen syntaktische Brückenkontexte, in denen ein epistemisches Adverbial als Adjektivmodifikator reanalysiert werden kann. Breban und Davidse (2016) zeigen, wie very als Intensi­vie­rer aus der Verwendung als epistemisches Adverbial hervorgegangen ist (S. 237 ff.) und dasselbe gilt bei Defour (2012) für really (das englische Gegenstück von echt). In Defours Analyse entwickelt sich really von einem Modaladverb (‘in a real manner’) zu einem ‘truth-identifying Emphasizer’. Really als Emphasizer wird in einer strukturell zweideutigen Struktur reanalysiert, indem das Adverb auf ein Adjektiv statt auf das Verb bezogen wird (S. 88). Für echt würde die Reanalyse wie in (41) aussehen: ein vom Verb abhängiges echt wird als Adjektivmodifikator reanalysiert.

(41) Sie [sind echt] nette Leute. Sie sind [echt nette] Leute.

Defour (2012) geht in ihrer Analyse sonst nicht auf die Verwendung von really als Adjektivmodifikator ein.19 Dabei fällt gerade bei echt auf, dass echt schon seit dem 18. Jh. ausgesprochen häufig als Modifikator von Adjektiven und substantivierten Adjektiven vorkommt, während die Verwendung als selb­ständiges Adverbial selten ist. Tabelle 1 zeigt das Vorkommen von echt/ächt im DTA-Kern­korpus und im Kernkorpus des DWDS als Adjektivmodifikator, selbständiges Adverbial und Dialogpartikel.

Vor allem im 19. Jh. kommt echt sehr häufig vor, und zwar gerade in der für Intensivierer typischen syntaktischen Umgebung [echt+ADJ/N]. In 62,4% der Belege ist echt Adjektivmodifikator und nur in 2,6% der Belege ist echt eindeutig ein selbständiges Adverbial. In dem Kernkorpus tritt echt in 42,1% der Belege als Adjektivmodifikator auf und in 10,1% als selbständiges Adverbial. Es erscheint unmittelbar wenig plausibel, dass die Lesart als Intensivierer gerade aus einer sehr sel­tenen Struktur mit echt als selbständigem Adverbial hervorgegangen sein sollte und nicht aus einer schon sehr verbreiteten Struk­tur mit echt als Adjektivmodifikator. Auszuschließen ist es nicht, aber auf jeden Fall sollte die Semantik von echt als Adjektivmodifikator auch berücksichtigt werden.

Be-lege

Adjektiv­modifikator

Adverbial

(Modal-, Satz-, Depiktiv)

Ambig20

(Adjmod. oder Adv.)

Dialog-

partikel

Sonstiges21

(u.a. Prädikativ)

DTA-Korpus (n=1413)

15981599

0

0

0

0

0

0

16001699

8

1 (12,5%)

0

0

0

7 (87,5%)

17001799

180

35 (19,4%)

22 (12,2%)

4 (2,2%)

0

119 (66,1%)

18001899

1203

752 (62,4%)

3022 (2,6%)

96 (7,9%)

0

325 (27 %)

19001913

22

10 (45,5%)

0

3 (13,6%)

0

9 (40,9%)

Kernkorpus (n=1488)

19001999

1488

627 (42,1%)

150 (10,1%)

72 (4,8%)

12 (0,8%)

627 (42,1%)

Tabelle 1. Die syntaktischen Funktionen von echt/ächt in den DWDS-Korpora: DTA-Korpus und Kernkorpus

3.1 Echt als Adjektivmodifikator

Echt oder ächt geht laut Pfeifer et al. (1993) auf das mittelniederdeutsche ēhaft mit der Bedeutung ‘rechtsgültig/gesetzmäßig/ehelich’ zurück und wird seit dem 13. Jh. auch im Mitteldeutschen verwendet, allmählich auch außerhalb der Rechtssprache mit der Bedeutung ‘unverfälscht, rein’. Als prädikatives Adjektiv wird echt z.B. in (42) im Sinne von ‘unverfälscht’ benutzt.

(42) Was ächt und herrlich ist/ das hat den besten Preiß23

Bei echt als Adjektivmodifikator lassen sich grob 4 Lesarten unterscheiden. Die ersten drei gehören eher zum lexikalischen echt und zeigen eine zunehmende Subjektivierung, indem die Einschätzung des Echtseins immer mehr in die Einschätzung der Sprecherin verlagert wird. Die Lesarten lassen sich als 1) Zugehörigkeit, 2) prototypische Qualität und 3) metasprachlich affirmativ bezeichnen. Die vierte Lesart ist die eher grammatikalisierte Lesart der Intensivie­rung. Sie ist auch in der Einschätzung der Sprecherin verankert, dient aber eher der Steigerung als der Einschätzung als ‘echt’. Die Lesarten erinnern an die 4 Stadien bei der Reanalyse eines linguistischen Ausdrucks in Heine (2002). In dem ersten Stadium tritt der Ausdruck in seiner ursprünglichen Bedeutung auf, die als Ausgangspunkt für eine neue Bedeutung dient. Im zweiten Stadium tritt in einem syntaktisch oder semantisch zweideutigen Brückenkontext eine neue Bedeutung hinzu, ohne jedoch die alte Bedeutung zu verdrängen. In dem dritten Stadium – dem sog. ‘switch context’ – dominiert die neue Bedeutung und kann unter Umständen mit der ursprünglichen Bedeutung unvereinbar sein. Im vierten Stadium schließ­lich ist die neue Bedeutung kon­ventionalisiert. Im hier untersuchten Korpus lassen sich bei echt allerdings keine zeitlich abgrenzbaren Stadien klar unterscheiden. Es ist eher von einer Bedeutungs­erweiterung die Rede ähnlich wie in der Analyse von englischen Intensivierern bei Atha­nasiadou (2007).

3.1.1 Die Lesart ‘Zugehörigkeit’

Als Adjektivmodifikator kommt echt durch die Jahrhunderte bevorzugt mit deno­mi­nalen Adjek­tiven und Substantivierungen denominaler Adjektive vor, die aus geographischen Namen (deutsch, fran­zö­sisch, grie­chisch, preußisch) oder Gruppenbezeichnungen (christlich, jüdisch, bürger­lich, ritterlich, weiblich) abge­leitet sind. Oft geht es um eine Zugehörigkeit im weiteren Sinne – so z.B. um die Zugehörigkeit eines Wor­tes zum Schweizerdeutschen wie in (43) oder um Zugehörigkeit zu einer Nation. Hier bezieht sich die Echtheit auf eine objektiv feststellbare Eigenschaft und lässt sich mit ‘original’ paraphrasieren. Athanasiadou (2007, 559) beschreibt diese Bedeutungskomponente als „property“, wobei echt hier eher als ‘Zugehörigkeit’ zu beschreiben ist. Dies ent­spricht einem 1. Stadium mit einer ursprünglichen Bedeutung von echt.

(43) Den Einfall Montmilch zu schreiben und das obige echt Schweizerdeutsche Wort von mons abzuleiten, hat schon mein lieber sel.[Freund Schnider von Wartensee in s. Geschichte der Entlibucher II. Th. S. 45 widerlegt].24

3.1.2 Die Lesart ‘Qualität’

Einen Brückenkontext zwischen einer objektiven und einer eher subjektiven Verwendung von echt bilden Fälle, bei denen echt mit Gruppenadjektiven auftritt, ohne dass es jedoch um eine überprüfbare Zugehörigkeit, sondern um mit der betreffenden Gruppe assozierte typische Eigenschaften geht wie in (44).25 Schon das Verb finden deutet eine subjektive Ein­schätzung an, bei der es um ty­pische Eigenschaften eines Objekts als ‘polnisch’ geht (s. auch Detges 1998, 15).

(44) Aber folgenden Zug wird man, wenn ich nicht irre, echt polnisch finden.26

Diese Erweiterung entspricht der „Quantification“ bei A­tha­­na­siadou (2007, 560), die als Quantifizierung der Ausprägung einer Eigenschaft zu verstehen ist. Meinunger (2014, 192) spricht hier von einer Skala der Proto­typizität (s. auch Breindel 2007, 412 f.). In dem Bei­spiel in (45) tritt ein Gruppenadjektiv darüber hinaus mit einem von einem skalier­baren Adjek­tiv abgeleiteten Substantiv Schön­heit auf. Echt bezieht sich als Adjektivmodifikator unmittelbar auf spa­nisch, kann aber auch mit Bezug auf [spanische Schönheit] verstanden werden. Echt zeichnet demnach einen besonderen (hohen) Aus­prä­gungs­grad von ‘spanischer Schönheit’ aus.

(45) Seine Tochter, eine echt spanische Schönheit, zeigte sich öffentlich in französischer Tracht.27

3.1.3 Die Lesart ‘metasprachlich affirmativ’

Auch tritt echt mit denominalen Adjektiven auf, die keine Gruppenadjektive sind und kaum typische Eigenschaften, dafür aber skalierbare Eigenschaften denotieren wie in (46). Diese Erweiterung entspricht einem 3. Stadium bei Heine (2002), bei dem die neue intensivierende Bedeutung im Vordergrund steht. Bei­spiele solcher Adjektive sind tragisch, lyrisch, idealistisch mit der Paraphrase, ‘x ist im wahrsten Sinne des Wortes P’ (eine echt tragische Ko­mödie Die Komödie ist im wahrsten Sinne des Wortes tragisch) (s. auch Bolinger 1972, 102). Breindl (2007) spricht hier von „metasprachlich verwendeten ‘affirmativen’ Intensifikatoren“ (S. 415).

(46) Hierin spricht sich ein echt musikalisches Steigen und Fallen der Empfindung aus.28

Im folgenden Beispiel kann echt sowohl als metasprachlich affir­mativ als auch als intensivierend interpretiert werden. Echt bezieht sich auf die Nomi­na­li­sie­rung des skalier­baren Adjektivs gut und lässt damit eine intensivierende Interpretation zu.

(47) Es kann das edelste, reinste, weiseste, geistreichste, herzreichste Gesicht seyn, voll Schönheiten für den Physiognomen, der alles ächt Gute sinnlich ausgedrückt, in den weitern Kreis seiner Schönheit aufnimmt -- aber die Form heißt deswegen nicht schön, und verdient auch, wenn man genau reden will, diesen Namen nicht.29

3.1.4 Die Lesart ‘Intensivierend’

In einem 4. und letzten Stadium ist die neue intensivierende Bedeutung dominierend. Hier tritt echt mit nicht-denominalen, skalierbaren Adjektiven auf und erlaubt die Paraphrase ‘sehr X’. Athanasiadou (2007) sprich hier von „intensification“. In (48), das interessanterweise schon aus dem Jahr 1802 stammt, bezieht sich echt auf das skalierbare Adjektiv klug.

(48) Hier steht das Bild des ächt klugen Maurers, freilich nur in einigen Hauptzügen, flüchtig hingezeichnet, doch kennbar genug, um auf die Wirksamkeit der Maßregeln zu schließen, welche er zur Erhaltung unseres Werkes erfinden wird.30

Die intensivierende Lesart beruht auf der Implikatur: verdient ein Referent x in hohem Maße die Bezeichnung Y, muss die von Y denotierte Eigenschaft P bei x in hohem Maße vorhanden sein (vgl. Paradis 2003, 203). Während (48) immer noch der metasprachlich affirma­tiven Lesart zugeordnet werden kann (‘ein unverkennbar kluger Maurer’), legt die Wieder­holung des Adjektivs dumm in (49) aus dem Jahr 1847 die intensivierende Interpre­tation nahe. Erst ab etwa 1980 scheint diese Lesart wie in (50) konventionalisiert zu sein.31

(49) Von einer schon eingerichteten Farm mit etwa 160 Acker in der Nähe einer Stadt, und wenn sie auch 2 -- 4000 Dollars kosten sollte, hat man einen besseren Ertrag als von 2000 Acker Congreßland, ohne sich um 5, 6 Jahre seines Lebens betrogen und am Ende zu dem dummen, echt dummen Entschluß getrieben zu sehen, nach Deutschland zurückzukehren.32

(50) Hans Raab aus Walldorf zum Beispiel, der sich nach seiner ”aktiven Fußballerlaufbahn praktisch für überhaupt nichts mehr engagiert” hatte, verbrachte mit Frau und Sohn” jede freie Minute hier draußen” und fand es ”echt toll, was hier läuft, daß so Jung und Alt zusammensteht”.33

Die intensivierende Lesart unterscheidet sich nur gering­fügig von der unter 3.1.3 besprochenen metasprachlich affirmativen Lesart. Ein Unterscheidungsmerkmal könnte sein, dass echt in metasprachlich affirma­tiver Verwendung modifi­ziert werden (vgl. 51) und als Nachtrag vorkommen kann (vgl. 52a), was für echt als Intensi­vierer kaum gilt (vgl. 52b).

(51) Diesen Anhängern galt meine Mutter als nicht genügend echt teutonisch.34

(52) a. Diese Komödie ist tragisch und zwar echt.
b. ??Peter ist nett, und zwar echt.

3.1.5 Die semantische Erweiterung von echt

Die Analyse von echt als Adjektivmodifikator in den historischen Korpora von DWDS zeigt, dass echt schon lange vor 1980 eine subjektiv bewertende und intensivierende Semantik ent­wickelt. Die Bedeutungserweiterung von echt zeigt eine zunehmende Subjek­tivierung, indem Intensivierung immer mehr in einer Sprecherperspektive verankert ist (vgl. auch Athanasiadou 2007).

zugehörigkeit > qualität > metasprachlich affirmativ > intensivierend

(‘original’) (‘typisch’) (‘im wahrsten Sinne des Wortes’) (‘sehr’)

Mit der Subjektivierung tritt echt mit unterschiedlichen Arten von Adjektiven auf: denomi­nale nicht-skalierbare Adjektive, denominale skalierbare und schließlich skalierbare Adjek­tive. Klare Stadien für die ersten drei Lesarten lassen sich jedoch in den Korpora nicht unterschei­den, nur scheint die Konventionalisierung der Intensivierung um 1980 herum stattzufinden.

3.2 Echt als (assertives) Satzadverbial und Dialogpartikel

Während eine intensivierende Lesart also schon im 19. Jh. belegt ist, tritt das Satzadverbial und die Verwendung als selbständige Äußerung erst am Ende des 20. Jh. auf. Die folgende Tabelle zeigt, wie häufig echt als selbständiges Adverbial und als Dialogpartikel in dem historischen Kernkorpus DTA und in dem Kernkorpus 19001999 vorkommt.

Zeit

Selbständiges Adverbial

Dialog-

partikel

nicht-valenzgebunden

valenz-gebunden

Sonstiges35

Modal

Depiktiv

Satz

Ambig

DTA-Korpus

16001699

0

0

0

0

0

0

0

17001799

13

3

0

2

4

0

0

18001899

16

7

0

1

6

0

0

19001913

0

0

0

0

0

0

0

Kernkorpus

19001909

2

0

0

0

5

1

0

19101919

9

3

0

0

3

0

0

19201929

8

1

0

1

7

0

0

19301939

8

5

0

1

9

2

0

19401949

6

0

0

2

2

0

036

19501959

9

2

0

1

4

0

0

19601969

1

0

0

1

1

0

0

19701979

3

0

0

1

0

0

0

19801989

1

0

8

1

6

0

0

19901999

2

0

23

4

7

0

12

Tabelle 2. echt/ächt als selbständiges Adverbial und als Dialogpartikel in den DWDS-Korp­o­ra: DTA-Korpus und Kernkorpus

Eindeutige Beispiele für echt als Satzadverbial und Dialogpartikel gibt es erst seit etwa 1990. Dabei sind eindeutige Beispiele von echt als Satzadverbial selten. Einige Satztypen wie z.B. Fragen begünstigen die Interpretation als Satzadverbial wie in (53) (vgl. Paradis 2003, 203) und in (54) liegt am ehesten eine Lesart als Satzadverbial vor.37

(53) »Haste echt kein Kleingeld mehr?«, fragt sie den Typen.38

(54) Manchmal muß ich echt weggucken, wenn Männer in der Küche rumwurschteln.39

Fast zeitgleich mit der Verwendung als Satzadverbial tritt auch echt als Dialogpartikel auf. Die ersten Belege von echt als Dialogpartikel stammen aus dem Jahr 1991 und zwischen 1991 und 1999 gibt es 12 Belege von echt als eigenständiger Äußerung.

(55) Ich mußte jedes zweite Wort nachschlagen, echt.40

In der Geschichte von echt gibt es also kaum Anhaltspunkte dafür, dass das intensivierende echt aus einer Verwendung von echt als Satzadverbial hervorgegangen sein sollte, wie sonst für das englische really (Defour 2012) und für das spanische verdaderamente (Manzano 2018) vorgeschlagen. Die Lesart als Satzadverbial tritt viel später auf. Allerdings gibt es schon viel früher Belege, bei denen echt als Satzadverbial gelten kann. Diese Belege sind aber nicht eindeutig, sondern eben ambig. In (56) aus dem Jahr 1920 kann echt neben der Lesart als Satzadverbial (‘tatsächlich’) auch als Modaladverbial oder lockeres Prädikativ analysiert werden (‘richtig’ oder ‘unverkennbar’).

(56) »Hahaha - das ist echt unsere Lotte.«41

Auch andere Intensivierer aus dem Bereich der Wahrheit zeigen, dass eine Lesart als Satzadverbial keine Bedingung für die Entstehung eines Intensivierers sein muss. Den Intensivierer richtig gibt es nicht als Satzadverbial.42 Richtig scheint nicht in den kanonischen Positionen eines Satzadverbials am Anfang des Mittelfeldes (58) oder vor einem w-Pronomen als Objekt stehen zu können (59) (vgl. Pittner 2004, 260 und die entsprechenden Stellungsmöglichkeiten von echt im Abschnitt 2.2.2). Auch ist richtig kaum möglich in Fragen (60).

(57) Peter hat richtig geweint.

(58) a. ?? Peter hat richtig die ganze Zeit geweint.
b. Peter hat die ganze Zeit richtig geweint.

(59) a. ?? Peter hat richtig wen fertiggemacht.
b. Peter hat wen richtig fertiggemacht.

(60) Hast du (echt/??richtig) kein Auto?

Eine intensivierende Semantik kann sich also auch unabhängig vom Satzadverbial herausbilden.

3.3 Die Entstehung von echt als Satzadverbial

Eben weil bei echt die Intensivierer-Lesart der Verwendung als Satzadverbial vorausgeht, scheint das Satzadverbial eher durch eine Reanalyse von echt in der Funktion als Intensivierer entstanden zu sein. Wie erwähnt, tritt echt schon im 19. Jh. sehr häufig als Adjektivmodifikator auf. In einer Struktur mit echt als Modifikator eines prädikativen Adjektivs wie in (61) kann echt auch als Satzadverbial reanalysiert werden.

(61) Das ist [echt tragisch]. Das ist [echt] [tragisch].

Dieselbe Struktur wird – wie auch früher erwähnt – von Defour (2012) und Breban & Davidse (2016, 238) als Brückenkontext für das englische really bzw. very vorgeschlagen. Bei ihnen geht die Reanalyse aber in die andere Richtung: ein Satzadverbial wird als Adjektivmodifikator reanalysiert.

Gleichzeitig gibt es auch andere mögliche Szenarien für die Entstehung von echt als Satzadverbial. In (62) kann das Modaladverbial echt mit der Bedeutung ‘in echter Weise/richtig’ als Satzadverbial reanalysiert werden. Echt bezieht sich dann nicht mehr auf das Verb verwurzeln, sondern auf die ganze Proposition (‘könne sich tatsächlich ...’). Bei der Reanalyse wird also der Skopus von echt von dem einfachen Verb auf die Wahrheit der ganzen Proposition ausgedehnt. Einen solchen Grammatikalisierungspfad schlagen Lenker (2007) für englische ‘truth-intensifying’ Adverbien wie truly und Axel-Tober (2016, 27 f.) für Satzadverbiale wie sicher, bestimmt oder natürlich vor.

(62) Ich glaubte fest, mein Leben könne sich echt verwurzeln mit einer echten Aufenthalts­ver­län­ge­rung.43

Ein weiterer Brückenkontext wäre echt als Depiktiv (lockeres Prädikativ) wie in (63). Echt ordnet hier dem Pronomen ihn (es geht um das Heilmittel Theriak) die Eigenschaft ‘echt’ zu, kann aber auch auf die ganze Proposition bezogen werden (‘wenn man ihn tatsächlich haben will’).

(63) Man muß ihn daher, wenn man ihn ächt haben will, selbst aus Venedig unmittelbar kommen lassen.44

Für den Brückenkontext mit echt als Adjektivmodifikator wie in (61) als maßgeblich für die Entwicklung des Satzadverbials spricht das sehr häufige Vorkommen dieser Struktur seit dem 19. Jh. (vgl. Tabelle 1). Gleichzeitig ist aber auch denkbar, dass sich die vielen Brückenkontexte für echt als Satzadverbial gegenseitig verstärken und gemeinsam zur Herausbildung des Satz­adverbials beitragen. Einen ähnlichen Vorgang schlagen Breban und Davidse (2016) für very als Intensivierer vor (S. 239), bei dem zwei unterschiedliche Kontexte zu der Intensivierer-Lesart beigetragen haben können.

4 Konklusion

Die diachrone Analyse von echt zeigt, dass sich die Intensivierer-Lesart bei echt innerhalb einer Struktur mit echt als Adjektivmodifikator entwickelt hat. Der Entstehung des Intensivierers liegt somit eine semantische Erweiterung zugrunde und keine syntaktische Reanalyse. Echt als epistemisches Satzadverbial und Dialogpartikel entsteht erst nach dem Intensivierer. Dieser Vorgang dagegen scheint syntaktisch zu sein, indem der Adjektivmodifikator als Satzadverbial reanalysiert wird. Dazu können auch andere ambige Kontexte beigetragen haben. Die Entwicklung von echt unterscheidet sich damit von Analysen von Intensivierern im Englischen und Spanischen. Bei der Grammatikaliserung von echt kommt es zuerst zu einem semantischen Verblassen, wobei echt immer mehr in der Perspektive des Sprechers verankert wird und einen hohen Ausprägungsgrad einer Eigenschaft bezeichnet. Anschließend kommt es zu einer Erweiterung des Skopus, so dass echt auf Eigenschaften der Proposition, des Sprechakts und anderer Propositionen im Diskurs Bezug nimmt. Eine solche Sko­pus­erweiterung gilt in Traugott (2003) auch als Kennzeichen der Grammatikalisierung. Die Geschichte von echt bestätigt den engen Zusammenhang zwischen Intensivierern und epistemischen Adverbialen aus dem Bereich der Wahrheit, zeigt aber, dass dieses Verhältnis ein wechselseitiges ist. Ferner bestätigt echt den öfter beobachteten Zusammenfall von Intensivierung und Betonung der Wahrheit (z.B. An­drou­tsopoulos 1998, 343), wie man ihn auch bei Ausdrücken außerhalb des Bereichs der Wahrheit beobachten kann, z.B. bei voll.

(64) a. Peter ist voll cool. (Intensivierer)

(65) b. da is voll alles falsch näh45 (epistemisches Satzadverbial)

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich zwei anonymen GutachterInnen sowie Anke Heier und Jörg Asmussen für Kritik, Korrekturen und Hilfe mit den Daten danken. Teile dieser Arbeit wurden im sprachwissenschaftlichen Workshop des Nordisch-Baltischen Germanistentreffens in Reykjavik im Juni 2022 und im Functional Grammar Circle an der Universität Kopenhagen im November 2022 präsentiert. Ich danke den Teilnehmenden für wertvolle Kritik und Kommentare. Für alle verbleibenden Fehler und Mängel bin nur ich verantwortlich.

5 Korpora

DeReKo Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (2022): Deutsches Referenzkorpus / Archiv der Korpora geschriebener Gegenwartssprache 2022-I (Release vom 08.03.2022). Mannheim: Leibniz-Institut für Deutsche Sprache. <www.ids-mannheim.de/DeReKo>

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1 ‘Adverbien’ verweist auf die Wortklasse und ‘Adverbial’ auf die syntaktische Funktion. Was echt und wirklich anbetrifft, wird hier angenommen, dass das Adjektiv in der Funktion als Adverbial auftritt und also (noch) nicht zu der Klasse der Adverbien gehört.

2 ‘Intensivierer’ wird hier für sprachliche Ausdrücke verwendet, die unflektiert und mit Bezug auf eine Konstituente der Intensivierung dienen ungeachtet dessen, ob sie als Intensitätspartikeln oder z.B. als Adjektive klassifiziert werden sollen (vgl. die Diskussion in Breindl 2007, 401).

3 Im Folgenden wird ‘Adjektivmodifikator’ als Bezeichnung für die syntaktische Funktion als Adverbial innerhalb eines Satzglieds (ein [echt netter] Typ) verwendet, auch wenn sich das Adverbial auf ein substantiviertes Adjektiv (das echt Gute) oder ein Adverb (echt gern) bezieht. Als Adjektivmodifikator wird demnach ein satzgliedinternes Adverbial bezeichnet, das im Gegensatz zu Satzadverbialen und anderen Arten von Adverbialen keine unmittelbare Konstituente des Satzes ist. Ich danke einem Gutachter/einer Gutachterin für den Terminus ‘Adjektivmodifikator’ für diesen Fall.

4 Laut Autenrieth (2002) sind einige Belege von echert/e(ch)t mit der Bedeutung ‘wahr’ oder ‘richtig’ vermutlich eher dem heutigen echt zuzuordnen (S. 172).

5 Angaben zu den Korpora finden sich im Literaturverzeichnis.

6 Ich verdanke einem Gutachter/einer Gutachterin diese Observation.

7 Heinemann, Karl; Krüger, M.; Sandt, Hermann; Weber, Hugo; Jütting, Wübbe Ulrich: Jütting und Webers Lesebuch zur Pflege vaterländischer Bildung. [Teil 4 = 7. bis 9. Schulj]; Teil 4 = 7. bis 9. Schulj. Leipzig [u.a.], 1911 (dwdshistkorp).

8 Interessanterweise wird durch die Modifikation die Echtheit sozusagen aufgehoben. Peter hat in (a) eben nicht echt geweint, sondern gespielt.

(a) Peter hat (so / ganz / sehr) echt geweint.

9 Fleißer, Marieluise: Pioniere in Ingolstadt, Berlin: Henschel 1976 [1926], S. 118 (dwdskern).

10 Echt kommt auch mit Bezug auf eine ganze NP im Vorfeld vor wie in (b).

(b) Echt ein spannendes Thema habt Ihr Euch da ausgesucht!

(WDD11/A02.41272: Diskussion:Äon (Theologie), In: Wikipedia URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Äon_(Theologie): Wikipedia, 2011 – DeReKo)

Meinunger (2009, 121) nimmt für die ähnliche Konstruktion in (c) an, dass echt ein unflektiertes Adjektiv ist. Dabei gibt es einen Unterschied: die NP in (c) ist obligatorisch definit (Meinunger 2009, 127) während die NP in (b) indefinit ist.

(c) Echt der Wahnsinn!

Auch Satzadverbiale wie z.B. wahrscheinlich in (d) können im Vorfeld vor einer NP auftreten und das echt in (b) könnte als ein Satzadverbial in eben solcher Verwendung analysiert werden.

(d) Wahrscheinlich ein Tier hat die Schnur durchgebissen.

11 Krifka (2021) zeigt, dass sog. ‘commitment’-Modifikatoren wie bei Gott, ungelogen, wirklich oder eben echt (als Satzadverbial) kaum vorfeldfähig sind und führt es darauf zurück, dass sie nicht Teil des kommunizierten Inhalts (der Proposition) sind. Laut Meinunger (2022) ist die entscheidende Eigenschaft die Expressivität: Expressiva ohne deskriptive Semantik, zu denen er echt zählt, kommen im Vorfeld nicht vor.

12 Echt kann im Prinzip zweimal mit unterschiedlicher Funktion vorkommen.

(e) Ich habe es echt echt vergessen. (‘ich habe es tatsächlich völlig vergessen’)

13 Anstatt zu gendern werden hier abwechslungsweise ‘Sprecher/Sprecherin’ bzw. ‘Hörer/Hörerin’ verwendet.

14 Beispiele wie (30) und (31) finden sich kaum in den benutzten Korpora. Sie gelten vermutlich als umgangssprachlich. Im Internet belegt sind z.B.: Geh echt zum Arzt, Geh echt zum Anwalt, Halt echt die Klappe für (30) und Echt Entschuldigung, Echt Glückwunsch und Echt toi toi toi für (31).

15 Gerade der Bezug auf die Aufrichtigkeitsbedingung schlägt sich auch in der Verwendung von echt als sprecherorientiertes Adverbial im Sinne von ehrlich nieder.

(f) Mir ist es echt gesagt egal, wo die Moscheen gebaut werden....aber bestimmt nicht dort, wo ich wohne.

(WDD11/127.69018: Diskussion:100-Moscheen-Plan, In: Wikipedia – URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:100-Moscheen-Plan: Wikipedia, 2011 – DeReKo)

16 van Os (1989, 88) bemerkt, dass echt wie das englische really recht- und linksversetzt werden kann und also außerhalb des Satzrahmens steht. In (36) und (37) ist echt eine eigenständige Äußerung abgetrennt von dem vorhergehenden Satz mit einem Punkt.

17 SBL06/NOV.00346 Sonntagsblick, 26.11.2006, S. M4; 0 Sieer | Inhalt | Editorial (DeReKo)

18 BRZ08/MAI.09293 Braunschweiger Zeitung, 19.05.2008; Zaudern, Zittern, Zetern – „Jetzt hilft Eintracht nur noch ein Wunder zum Klassenerhalt“ (DeReKo)

19 Manzano (2018, 281, Fn. 11) diskutiert epistemische Adverbien als satzgliedinterne Modifikatoren im Spanischen, aber nur mit Bezug auf adjektivische Partizipien, nicht mit Bezug auf Adjektive. Echt kommt in dem DTA-Korpus fast gar nicht mit Partizipien vor: im 18. Jh. in 6% der Belege und im 19. Jh. in nur 0,5% der Belege.

20 Eine ambige Struktur ist z.B.: V+echt+ADJ wie z.B. ist echt italienisch. Hier kann echt als Adverbial: [ist] [echt] [italienisch] oder als Adjektivmodifikator: [ist] [echt italienisch] gelten.

21 ‘Sonstiges’ umfasst hier z.B. die Funktionen Prädikativ (echt sein) und echt als Komplement (für echt, als echt) sowie Fehler beim Scanning, z.B. echt statt Recht.

22 Fast alle Belege stammen von derselben Quelle mit echt als Depiktiv (lockerem Prädikativ).

23 Hunold, Christian Friedrich: Die Edle Bemühung müssiger Stunden. Hamburg, 1702. (dwdshistkorp)

24 Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 4. Aufl. Göttingen, 1791. (dwdshistkorp). Im Beleg bei DWDS ist der Text unvollständig. Der Beleg ist in (43) mit Hilfe des Originals im deutschen Textarchiv (https://www.deutschestextarchiv.de/) mit dem Text in eckigen Klammern vervollständigt worden.

25 Autenrieth (2002, 175) mutmaßt, dass echt eine solche subjektive (bei ihr ‘einstellungsbezogene’) Semantik von einer untergegangenen Modalpartikel echert/e(ch)t aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen übernommen haben könnte. Es scheint aber eher von einer zunehmenden Grammatikalisierung zu zeugen wie in Abschnitt 1 erwähnt.

26 Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795. (dwdshistkorp)

27 Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 13. Burg/Berlin, 1836. (dwdshistkorp)

28 Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828. (dwdshistkorp)

29 Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778. (dwdshistkorp)

30 Fessler, Ignaz Aurelius: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802. (dwdshistkorp)

31 Die schriftlichen Quellen geben weitgehend mündliche Sprache wieder. Eine Konventionalisierung kann aber natürlich schon früher erfolgt sein (Anke Heier, persönliche Kommunikation).

32 Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 60. Rudolstadt, 22. November 1847. (dwdshistkorp)

33 Der Spiegel, 19.10.1981. (dwdskern)

34 Wagner, Siegfried: Erinnerungen. In: Simons, Oliver (Hg.) Deutsche Autobiographien 16901930, Berlin: Directmedia Publ. 2004 [1923], S. 72487 (dwdskern)

35 Sonstiges sind z.B. parenthetische Einschübe.

36 Bei dem Beleg in (g) von 1946 scheint sich echt prädikativisch auf eine zu verkaufende Ware zu beziehen.

(g) »Echt«, sagte er. (Langgässer, Elisabeth: Das unauslöschliche Siegel, Hamburg: Claassen 1959 [1946], S. 509 – dwdskern)

37 Eine Lesart als Modaladverbial wäre vielleicht auch möglich: ich muss richtig weggucken oder auch Intensivierung der deontischen Modalität ‘müssen’: Es ist in hohem Maße notwendig, dass ich weggucke.

38 Bach, Tamara: Marsmädchen, Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger 2003, S. 34 (dwdskern21)

39 Merian, Svende: Der Tod des Märchenprinzen, Hamburg: Buntbuch-Verl. 1980 [1980], S. 62 (dwdskern)

40 Brussig, Thomas: Wasserfarben, Berlin: Aufbau-Taschenbuch-Verl. 2001 [1991], S. 40 (dwdskern)

41 Ury, Else: Nesthäkchen fliegt aus dem Nest, Stuttgart: K. Thienemanns 1997 [1920], S. 74 (dwdskern)

42 Richtig scheint mit echt eine Kollokation zu bilden (echt und richtig).

43 Seghers, Anna: Transit, Gütersloh: Bertelsmann 1995 [1943], S. 71 (dwdskern)

44 Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756. (dwdshistkorp)

45 WDD11/S11.59805: Diskussion:Schlacht von Cajamarca, In: Wikipedia – URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Schlacht_von_Cajamarca: Wikipedia, 2011 (DeReKo)