Kalbotyra ISSN 1392-1517 eISSN 2029-8315

2022 (75) 27–56 DOI: https://doi.org/10.15388/Kalbotyra.2022.75.2

Sprachvariation in Online-Minderheitenzeitungen. Am Beispiel der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ in Kasachstan

Csaba Földes
Faculty of Philosophy, Chair of Germanic Linguistics
University of Erfurt
Nordhäuser Str. 63
D-99089 Erfurt, Germany
E-Mail: csaba.foeldes@uni-erfurt.de

Language variation in minority online newspapers: The example of the “Deutsche Allgemeine Zeitung” in Kazakhstan

Abstract. This article discusses the online edition of the “Deutsche Allgemeine Zeitung” (DAZ, German General Newspaper), an exceptional media product in Kazakhstan. This medium was chosen mainly for its very complex linguistic and cultural configuration. The linguistic forms are German, while the discourse and text traditions suggest a Russian influence due to the long hegemony of Russian as the language of culture and education in Kazakhstan. Additionally, the current sociocultural frame of reference is of genuine Kazakh origin.
The central aim of this evidence-based media linguistic analysis was to describe the unique features in the language of this online medium, i.e. the multilingual aspects of language variation and aspects related to language and cultural contact.
The methodology is based on a linguistic concept of saliency and used interrater reliability in the linguistic assessment. The study showed that the online version and the print version differ not only on a technical level, but also in their journalistic and linguistic design. The digital version is marked by livelier, more idiomatic, and more colorful texts than the print version. These differences can likely not just be attributed to the greater range of options provided by the new medium, but possibly also to the larger share of contributions by authors from Germany in the online version compared to the print version. In the written practices examined in this article it could be shown that authors from Kazakhstan generally used ‘multiliteracy’ form that also generated emergent forms.
Key words: Media language, minority press, interculturality, multilingualism, German in language contact situations

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Submitted: 01/07/2022. Accepted: 04/08/2022
Copyright © 2022
Csaba Földes. Published by Vilnius University Press
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License, which permits unrestricted use, distribution, and reproduction in any medium, provided the original author and source are credited.

1 Einleitung und Betrachtungsziele

Mitte der 1990er-Jahre, seit die ersten deutschen Zeitungen das Internet als journalistisches Medium entdeckt und – dank seiner Potenziale u.a. im Hinblick auf Aktualität, Multimodalität, Multimedialität und Interaktivität – dort breit Fuß gefasst haben, kommt heute kaum mehr eine ohne ein Online-Angebot aus. Für auslandsdeutsche Presseprodukte trifft das wohl vermehrt zu, da ihre Leserschaft meist über größere Territorien zerstreut lebt (disperses Publikum)1 und der Vertrieb von Printversionen daher nicht einfach ist. Viele dieser Presseerzeugnisse existieren überhaupt nur noch digital im weltweiten Netz wie z.B. „Der Nordschleswiger“ in Dänemark.

Die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ in Kasachstan (im Weiteren: DAZ) erscheint sowohl gedruckt wie auch digital im Internet. Die Printversion bildete bereits Gegenstand einer Untersuchung (Földes 2019) mit einer doppelten Zielsetzung: Zum einen ging es im Denkrahmen der interkulturellen Linguistik um eine Herausarbeitung ihrer zentralen Profilmerkmale mittels qualitativer hermeneutisch-analytischer Verfahren. Zum anderen wurde ein Beitrag zur Erschließung von Manifestationen der Kulturalität im analysierten interkulturellen Mediendiskurs durch Beleuchtung kulturinduzierter, in erster Linie lexikalischer, Charakterzüge angestrebt.

Der außerordentliche analytische Reiz der Themenstellung zeigt sich bereits in der enorm komplexen sprachlich-kulturellen Basiskonfiguration. Denn in der gegebenen Konstellation kommt die deutsche Sprache in einem kulturell mehrfach kodierten Raum zur Verwendung, sodass dem Makrokontext der DAZ eine mannigfaltige Kulturturbulenz zu attestieren ist. Erstens, weil die DAZ in einem Wirkungsraum zwischen Deutsch, Russisch und Kasach(stan)isch2 funktioniert, und zweitens, weil eine ganz besondere Oszillation mit einer schillernden Mehrfachzugehörigkeit auftritt: Das Formmaterial der Sprache ist deutsch, während die Diskurs- und Texttradition (z.B. das textprofilgebende Konzept und die Formulierungsmuster) infolge der langjährigen Hegemonie des Russischen als Kultur- und Bildungssprache in Kasachstan eine dominant russische Prägung aufweisen und zudem der aktuelle soziokulturelle Referenzrahmen grundsätzlich kasachstanischer Provenienz ist (vgl. Földes 2022a, 141).

Vor diesem Hintergrund hat der vorliegende Aufsatz vor, die Internetausgabe der publizistischen Einheit DAZ einer evidenzbasierten medienlinguistischen Analyse und z.T. einer theoretischen Kontextualisierung zu unterziehen, in deren Rahmen – aufgrund der spezifischen Natur des Untersuchungsobjekts – besonderes Augenmerk auf die Sprachvariation, vornehmlich auf mehrsprachigkeits- und sprach- bzw. kulturkontaktbezogene Aspekte, gelegt werden soll. Ein Erkenntnisanliegen ist dabei auch, inwieweit sich die Online- von der Papierversion unterscheidet.

2 Der Analysegegenstand

2.1 Die Deutsche Allgemeine Zeitung als kasachstandeutsches Medium

In Kasachstan gibt es 52 sog. ethnische Massenmedien in zwölf Sprachen, u.a. in Ukrainisch, Usbekisch, Türkisch, Uigurisch und Koreanisch. Die DAZ ist ein wesentlicher Bestandteil des ethnischen Medienspektrums3 in Kasachstan. In dieses Mediensystem als soziale Organisation mit seinen Medienorganisationen4 gliedert sich die DAZ als eine zu je 50 Prozent in deutscher und in russischer Sprache erscheinende Wochenzeitung (mit einem Umfang von jeweils zwölf Seiten) ein, die sich als bilinguales Presseerzeugnis des Typs komplementäre Mehrsprachigkeit5 charakterisieren lässt. Der Redaktionssitz befindet sich in Almaty. Die Auflagenhöhe beläuft sich auf über Tausend Exemplare und es gibt circa 1.500 PDF-Leser (Quelle: DAZ 2022a). Nach ihrer Gründung kam die DAZ ab dem 1. Januar 1966 als Zeitung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kasachstans täglich (außer sonntags) unter dem Namen „Freundschaft“ heraus. Mit dem Ende der sowjetisch-kommunistischen Zeit stellte das Blatt auf einen wöchentlichen Erscheinungsrhythmus um. In den 2000er-Jahren übernahm die „Assoziation der gesellschaftlichen Vereinigung der Deutschen Kasachstans“ die Herausgabe der Zeitung, um deren Fortbestand zu sichern, und 2018 wurde die DAZ in ein Unternehmen umgewandelt, also in eine eigenständige Geschäftseinheit (Földes 2019, 72; DAZ 2022b). Nach eigenen Angaben gehören zur Zielgruppe der DAZ in erster Linie deutsche Minderheiten im GUS-Raum, aber auch Spätaussiedler6 und Migranten in Deutschland, deutschsprechende Zentralasien-Interessierte, Sprachlernende sowie deutschsprachige Touristen und Firmenentsandte. Zudem soll auch eine russischsprachige Leserschaft – des Deutschen nicht mehr lesekundige Kasachstandeutsche7 und Interessierte aus anderen ethnischen Gruppen – mit bedacht werden. So erstreckt sich das Themenportfolio von Politik über Wirtschaft bis Kultur und liefert Informationen über Ereignisse im Zusammenhang mit der kasachstandeutschen Minderheit. Des Weiteren gehören die deutsch-kasachstanischen Beziehungen, Tendenzen in Politik, Kultur und den Gesellschaften Zentralasiens und Deutschlands sowie Perspektiven und Ausbildungsmöglichkeiten für die Jugend zu ihren Schwerpunktthemen (Quelle: DAZ 2022a).

Eine kasachstanische Chefredakteurin ist für die inhaltliche Ausgestaltung beider Zeitungsteile verantwortlich und wird dabei von einer technischen Redakteurin unterstützt.8 Zudem gibt es einen Mitarbeiter für den Vertrieb der Zeitung sowie eine Social-Media- und eine Multimedia-Kraft. Der einzige Textproduzent mit deutscher Erstsprache (im herkömmlichen Verständnis des Wortes) ist der vom Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart (ifa) entsandte Redakteur, der die Weiterentwicklung des deutschsprachigen Teils der Zeitung unterstützt. Ferner hat die deutschsprachige Redaktion regelmäßig auch Praktikanten9 aus Deutschland. Hinzu kommen gelegentlich Autoren aus der deutschsprachigen Gemeinschaft Kasachstans (z.B. Schüler oder Studenten, die Deutsch lernen) sowie aus Kreisen der kasachstanstämmigen Spätaussiedler in Deutschland. Für die Online-Version gibt es kein eigenes Team, wenn man einmal von den erwähnten zwei jungen Mitarbeiterinnen absieht, von denen eine die sozialen Medien (Facebook, Instagram und Twitter) betreut und die andere Video- und Podcast-Material produziert.

Die Texte in der Zeitung erscheinen in der Regel alle auch auf der Webseite. Zudem werden hin und wieder Meldungen und Posts in den sozialen Medien zu tagesaktuellen Themen abgesetzt, von denen nicht alle in der Zeitung erscheinen – wenn diese etwa vier Tage später herauskommt, ist das Thema dann nicht mehr aktuell. Dem Hauptvektor der Medienentwicklung folgend treiben Kuratorium und Redaktion die Veröffentlichung im Internetraum gezielt voran (vgl. Földes 2019, 72; DAZ 2022b).

2.2 Die DAZ online

Heutzutage verfügen die allermeisten Zeitungen über einen eigenen Online-Auftritt. Dabei lassen sich folgende prototypische Erscheinungsformen von Zeitungen im Internet voneinander abgrenzen:

(1) Das E-Paper stellt eine faksimilierte Online-Version ihrer ursprünglichen Print-Ausgabe mit „Hybridcharakter“ (Bucher/Büffel/Wollscheid 2003, 434 und 443) dar. So bleiben das Layout und der bereitgestellte Text identisch zum gedruckten Pendant, wobei das E-Paper durch seine online abrufbare Präsentationsform um recht simple Such- und Erschließungsfunktionen erweitert wird (vgl. Pürer/Raabe 2007, 20–21).

(2) Bei einer Online-Zeitung mit eigener Online-Redaktion ist diese Redaktion explizit für den Internet-Auftritt verantwortlich. Folglich gibt es hier deutliche Unterschiede zwischen dem Online-Medium und der gedruckten Zeitung (vgl. Breilmann-Massing/Dürscheid 2002, 17; Pürer/Raabe 2007, 20–21).

(3) Dahingegen ist die Internet-Zeitung ein Pressemedium, das ausschließlich durch die Infrastruktur Internet erscheint; sie kann also als reine Online-Zeitung betrachtet werden.

Die DAZ bildet einen Übergang zwischen den Typen (1) und (2) mit einer Tendenz zu (2). Somit ist sie als Online-Angebot medientypologisch angesichts von Feedback und Interaktivität ein quartäres Medium (vgl. Pürer 2015, 13; Burkart 2021, 39) mit entsprechenden Medienformaten.

Auf der Website daz.asia bietet sich z.B. die Möglichkeit, E-Paper-Ausgaben kostenpflichtig zu erwerben. Das Abonnement (mit 52 Ausgaben als PDF-Dateien) wird von ca. 1.500 Lesern beansprucht und kann ausschließlich über die Webseite mit russischer Spracheinstellung abgeschlossen werden. Im Vergleich erfreut sich die DAZ-Webseite als solche wesentlich größerer Beliebtheit und zählt „auf dem CMS Wordpress derzeit etwa 20.000 Besucher pro Monat“ (DAZ 2022a). Sicherlich ist dies auf die kostenfreie Nutzung der Artikel zurückzuführen; nicht zuletzt profitiert die Erscheinungsform Online-Zeitung aber auch von den generellen Vorteilen und Möglichkeiten des Internets per se – dazu zählen Globalität, Aktualität, eine unbegrenzte Speicherkapazität, Multimodalität, Multimedialität, Hypertextualität und Interaktivität (vgl. Pürer 2015, 40–41 und 157).

Im Vergleich zur Printversion kann die DAZ online nicht nur von jedem beliebigen Ort aus veröffentlicht und konsumiert werden (Globalität), sondern auch ereignisaktuell agieren (Aktualität), da es keinen Redaktionsschluss und keine Abhängigkeit vom Vertrieb gibt. Die höhere Frequenz der digitalen Aktivität scheint bei der Online-Version davon abhängig zu sein, ob gerade beispielsweise ein Nationalfeiertag oder ein wichtiges politisches Ereignis stattfindet. Fernerhin können die Beiträge jederzeit aktualisiert bzw. editiert werden. Durch leistungsstarke Server und den Wegfall von Papierpreisen (Speicherkapazität) oder aufwendigen Layoutvorgaben der Printzeitungen werden Beschränkungen von Inhalten zusätzlich aufgehoben. Online-Zeitungen bieten somit gegebenenfalls mehr und vor allem flexibler Platz für Beitragsinhalte (vgl. Pürer/Raabe 2007, 436–437; Pürer 2015, 158–159). Durch die erhöhte Kapazität ist auch der Zugriff auf archivierte Nachrichten problemlos möglich – bei der DAZ ist das Archiv z.B. mühelos abzurufen, da es in einer fixen Sidebar (Seitenleiste) angezeigt wird. Die Beiträge der DAZ werden gewöhnlich durch Bilder und Videos angereichert (Multimedialität) und untereinander verlinkt (Hypertextualität). Insbesondere diese beiden Aspekte gehen mit einem übersichtlichen Layout, einer logischen Informationsstruktur und einer vereinfachten Navigation einher. Einerseits erfolgt die Navigation zu einzelnen Beiträgen in Form eines Dropdown-Menüs, d.h. einer Navigationsleiste, die horizontal zentriert auf der Startseite positioniert ist und die jeweiligen Ressorts enthält. Mit einem Klick auf ein Ressort lassen sich die jeweiligen Unterthemen aufklappen, welche die themenorientierte Suche spezifizieren sollen. Die Ressorts der DAZ sind: Politik, Gesellschaft, Meinung, Wirtschaft, Kultur, Chancen & Jugend, Zeitgeschehen, Sport und ZAM (Zentralasiatische Medienwerkstatt).10 Andererseits ist auch eine visuell gestützte Navigation möglich. Auf der Startseite der daz.asia tragen Titelbilder mit Hyperlinks in der Content Area (Inhaltsbereich) zu einer besseren Orientierung bei. Sie sind vorerst nach Aktualität sortiert, indem die neuesten vier Beiträge unter der Navigationsleiste via Bild angezeigt werden, wobei die Größe des Bildes mit ihrem Erscheinungsdatum korreliert: Das größte Bild gehört dabei zum neuesten Beitrag. Darunter befindet sich eine bebilderte Untergliederung nach Ressorts. Die Anordnung der beiden hier aufgelisteten Beiträge ist ebenfalls chronologisch. Beim Aufrufen der einzelnen Artikel wird man auf eine Unterseite weitergeleitet. Die Struktur gleicht anderen Websites von bundesdeutschen Medien: Dem Artikel vorangestellt erscheint das Titelbild. Der Text kann indes multimedial angereichert sein, zumeist durch weitere Bilder oder Videos. Im Fließtext finden sich häufig Verlinkungen zu anderen Beiträgen; genauso werden am Ende des Artikels themenverwandte Beiträge oder Texte desselben Autors vorgeschlagen, sodass Inhalte insgesamt netzwerkartig im Hypertextformat miteinander verknüpft werden (vgl. Spott/Rieß/Zeh 1998, 131). Eine Reaktion auf die jeweiligen Beiträge und die allgemeine Interaktion mit dem redaktionellen Team wird zum einen durch die angegebenen Kontaktdaten im Footer (Fußzeile) und zum anderen durch das Kommentarfeld unter einem jeden Artikel gewährleistet (Interaktivität). Im weiteren Sinne führen auch die vielfachen Verweise zu den sozialen Netzwerken – z.B. im Header (Kopfzeile), Footer und unter den einzelnen Beiträgen – zu einer Möglichkeit des Austauschs. Die DAZ ist als aktives Online-Medium, wie erwähnt, z.B. auch auf Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter vertreten. Die Followerzahl in allen sozialen Netzwerken beträgt insgesamt ca. 13.222 (DAZ 2022a). Außerdem hat die DAZ einen eigenen Podcast, für den sie in der Sidebar – neben dem Archiv – wirbt, indem sie die jeweils letzte Folge zum Abspielen zur Verfügung stellt. Im Banner der DAZ wird auch auf den YouTube-Kanal verwiesen, welcher vom Herausgeber der DAZ, der Gesellschaftlichen Stiftung „Vereinigung der Deutschen Kasachstans ‚Wiedergeburt‘“, betrieben wird. Dieser Kanal zählt 219.735 Aufrufe (Stand 28.03.2022). Überhaupt lässt sich die DAZ mit den Eigenschaften der Transparenz und Seriosität attribuieren, nicht zuletzt, weil sie sowohl im Header als auch im Footer u.a. – den rechtlichen Vorgaben entsprechend – Angaben zum Impressum, zu Kontakt- und Mediadaten sowie den Informationen zu „Wir über uns“ macht.

3 Datengrundlage und Methoden

Diese explorative Studie geht inhaltlich wie logistisch auf das variationslinguistische Drittmittel-Projekt „Deutsche Mediensprache im Ausland – am Beispiel der deutschen Minderheitenpresse in Mittel- und Osteuropa“ (vgl. pressesprache.de) an der Universität Erfurt zurück, zu dessen Realisierung Germanisten in Polen, Russland, Kasachstan, Ungarn, Slowenien, Rumänien, der Slowakei und der Ukraine mit einbezogen werden. Projektleiter ist der Verfasser dieses Beitrages, projektfinanzierte Mitwirkende in Erfurt sind Uschi Schmidt, M.A., zur wissenschaftlichen Mitarbeit als Koordinatorin, sowie zwei wissenschaftliche Assistentinnen.11

Die Materialbasis zu diesem Beitrag bilden sämtliche digital veröffentlichten Artikel der DAZ zwischen 2019 und 2021. Das sind insgesamt 899 Texte. Das Volumen des Papierausdrucks dieser Beiträge beträgt, einschließlich der Bilder und sonstigen Illustrationen (halbe Seiten als ganze gezählt), 2.179 Seiten.

Methodisch wurde induktiv vorgegangen, wobei den theoriebasierten Betrachtungen der vor allem kognitiv und soziolinguistisch bedingte Salienz-Begriff als operables Analysekonzept zugrunde lag.12 Somit gilt es, Ausprägungen der Online-Realisierung einer transkulturellen Schreib- bzw. Textkultur herauszuarbeiten. Im Mittelpunkt stehen physiologische (visuelle), kognitive und soziolinguistische Auffälligkeiten, die sich operational vor dem Hintergrund Deutschland-deutscher Mediensprache feststellen lassen. Dabei ist die Analyse nicht einem normativ-fehleranalytischen, sondern vielmehr einem deskriptiven interkulturell-linguistischen Denkrahmen verpflichtet. Die Beobachtungskategorie „Auffälligkeit“ konnte allerdings nicht in jedem Fall eindeutig und trennscharf eingesetzt werden, da eine gewisse Subjektivität gelegentlich unvermeidbar ist. Somit wird, wie z.B. bei Rácz (2013, 23 und 43), etwas als salient eingestuft, was erheblich von einer Gebrauchsnorm (oder von einer Vergleichsvarietät) abweicht und daher – hier: dem Explorator – als ungewöhnlich erscheint. Ergänzend zum sprachlichen und kulturellen Kompetenzhorizont des Verfassers wurden als Korrektiv mehrere Gewährspersonen mit der Erstsprache Deutsch (aus der Bundesrepublik) und Russisch sowie Kasachisch (aus Kasachstan) befragt – Stichwort: Interrater-Reliabilität (vgl. zum Konzept Gwet 2014).

Außer der intratextuellen Untersuchung fand, wenngleich nur partiell, auch die transtextuelle Ebene mit diskursorientiertem Blick Berücksichtigung (vgl. auch Földes 2019, 74; 2022a, 129). Als zentrale methodische Verfahren dienten dazu (1) die fragestellungsbezogene Kollektion13 (Sammlung von Vorkommen eines bestimmten Phänomens), (2) die Typenbildung und (3) die Sequenzanalyse. Die Untersuchung verortet sich schwerpunkmäßig auf einer diskursorientierten Mikroebene, während die Makroebene (z.B. Akteure und Netzwerke) nur eine untergeordnete Rolle spielt. Der Umgang mit dem Korpus richtet sich nach Grundsätzen des induktiven sog. Analyseparadigmas, im Sinne von Steyer (2004, 93), indem mediale Online-Beiträge als Datenbestand – vornehmlich auf mehrsprachigkeits- bzw. kontakt- und regionalitätsbezogene sprachlich-kommunikative Erscheinungen hin – systematisch inspiziert werden.14

4 Salienzen: Typen und Formen

4.1 Grundlegendes: Salienzen in Sprache und Kultur

Unter Rückgriff auf die Reflexionskategorie Salienz konnten zusammen 677 Auffälligkeiten (bis auf einige Ausnahmefälle im Sinne von Tokens) ermittelt werden, wobei eine Vielfalt von Besonderheiten hervortrat, die sich folgendermaßen systematisieren, strukturieren und interpretieren lässt. Es konnten mittels einer Sprachfokussierung eine Bandbreite primär sprachbezogener und mit Hilfe einer Kulturfokussierung eine Anzahl primär kulturbezogener Auffälligkeiten eruiert werden.

4.2 Salienzen primär sprachbezogener Natur

Innerhalb dieser Klasse konnten folgende Typen und Subtypen ausdifferenziert werden:

4.2.1 Regionalismen, Dialektismen und Archaismen

Es kamen im Korpus 34 diatopisch markierte Elemente und Archaismen vor,15 die von der sog. Sprachinsel-Lage und sonstigen sprach- sowie kulturhistorischen Gegebenheiten herrühren dürften.16 Als Beispiele seien das (vor allem fränkische) Dialektlexem Stampes (Beleg 1) ‘Kartoffelbrei’ (Datum des Beitrags: 06.07.2020) und das süddeutsch-österreichisch-schweizerische heuer (Beleg 2; 18.11.2020) ‘dieses Jahr, in diesem Jahr’ genannt. Es finden sich auch DDR-spezifische oder -typische Bezeichnungen wie Plastemüll (Beleg 3; 02.11.2021) ‘Plastikmüll’ oder Kaufhalle (Beleg 4; 18.06.2019) ‘Supermarkt’, die vermutlich mit den Sprach(lern)biographien der Textproduzenten zusammenhängen. Manche andere Wörter dieser Gruppe können im Prinzip zwar auch als DDR-bezogen expliziert werden, sie sind aber letztlich russisch-sowjetischer Provenienz, sodass ihr Vorkommen wahrscheinlich weniger durch den DDR-Sprachgebrauch, sondern durch die sowjetisch-sozialistische Vergangenheit Kasachstans motiviert wurde, wie z.B. folgende Items: Subbotnik (Beleg 5; 26.04.2019 und 28.10.2021) ‘in einem besonderen Einsatz freiwillig und unentgeltlich geleistete Arbeit’; Agronom (Beleg 6; 05.04.2019 und 31.03.2021) ‘Diplom-Landwirt’; Traktorist (Beleg 7; 05.04.2019 und 15.03.2021) bzw. Traktoristin (Beleg 8; 17.09.2021) ‘Traktorfahrer(in)’; Kosmonaut (Beleg 9; 15.08.2019, 26.09.2019, 06.12.2019, 31.03.2020)17 bzw. Kosmonautin (Beleg 11; 30.09.2021) ‘Astronaut(in)’ und sogar Kosmonautik (Beleg 12; 06.12.2019) ‘Astronautik’; Kollektiv, Redaktionskollektiv (Beleg 13; 30.12.2021) ‘Team, Redaktionsteam’, analog auch Theaterkollektiv (Beleg 14; 29.09.2019) und Künstlerkollektiv (Beleg 15; 26.02.2021).

4.2.2 Sprachkontaktbezogene Salienzen

Dieser Komplex besteht aus Belegen, bei deren Zustandekommen areale Sprachkontakte (Transfer oder Nachahmung von Elementen, Strukturen und Modellen der Kontaktsprachen Russisch und Kasachisch) anzunehmen sind.

4.2.2.1 Sprachkontaktphänomene explizit

Bei den sprachkontaktinduzierten Salienzen dieser Subgruppe handelt es sich um einen materiellen Transfer des Zeichenkörpers aus den Kontaktsprachen Russisch oder Kasachisch.

Diese Gruppe aus 31 Belegen wird sowohl durch (a) Einzellexeme als auch durch (b) Wortgruppenlexeme und sogar (c) satzwertige Konstruktionen konstituiert, wobei letztere zwei Typen eher mit Zitatcharakter vorkommen.

(a) Einzellexeme:

(16) Babuschka (25.06.2019, 01.07.2019, 05.08.2019 und 21.02.2020) aus dem Russischen: ‘Großmutter’,

(17) Natschalnik (13.08.2021, 25.08.2021) aus dem Russischen: ‘Chef, Vorgesetzter’.

Eine zunehmende morphologische Integration mancher dieser eigentlich Fremdlexeme wird in der Sprachpraxis der DAZ an ihrer Anpassung an das Flexionssystem des Deutschen deutlich, z.B. bei der Deklination des Substantivs oblast (Beleg 18; in der Oblast 01.04.2021, aber auch 15.04.2019, 30.04.2019, 29.01.2020, 10.02.2020, 09.05.2020, 03.08.2020, 01.09.2020, 04.03.2021, 15.03.2021) ‘größeres Verwaltungsbiet in Russland und in einigen postsowjetischen Republiken’, vgl. die Formen in den heutigen russischen Oblasten Saratow und Wolgograd (Beleg 19; 29.03.2019); acht der 14 Oblaste (Beleg 20; 31.07.2019); Reisen durch die Oblaste (Beleg 21; 12.12.2019); Regierungsvertreter der Oblaste Akmolinsk, Nordkasachstan und Karaganda (Beleg 22; 22.01.2020); die Oblaste Kostanaj und Akmola (Beleg 23; 05.08.2020) und über die Oblaste Almaty und Ostkasachstan (Beleg 24; 07.08.2020). Bemerkenswert ist überdies, dass das Genus von Oblast im DAZ-Diskurs – vermutlich nach dem Vorbild der Genuszuordnung des Russischen – ausschließlich als Femininum bestimmt wird, obwohl (z.B. laut Dudenredaktion 2019, 1304) auch das Maskulinum möglich wäre.

Das Nominalkompositum Alplager kommt von russisch альплагерь (bzw. Vollform альпинистский лагерь) und bezeichnet eine Einrichtung als Erbe aus Sowjetzeiten, die ein standardisiertes Ausbildungsprogramm für angehende Bergsteiger bietet:

(25) Ich erfuhr also von dem Mann, dass man bei dieser Veranstaltung zwischen zwei Distanzen wählen könne: dem „Amangeldy Race“ und dem „Vertikalen Kilometer“, die beide vom Alplager Tuyuksu auf einer Höhe von 2.450 m beginnen (12.02.2021, aber auch 14.08.2020, 27.01.2021 und 04.02.2021).

(b) Wortgruppenlexeme:

(26) Der „Gostinyj Dwor i ego kupetschestwa“ (04.05.2021) aus dem Russischen: ‘Der „Salonhof mit seiner Kaufmannschaft“’.

(27) Paketam Net (22.07.2021) aus dem Russischen: ‘Nein den Tüten’. (= Eine Initiative gegen Plastiktüten und deren Ersatz durch handgemachte Gemüsenetze und Tragetaschen.)

(c) Satzwertige Konstruktionen:

(28) „Вы что хохлушки, плачете?“ (17.09.2021) aus dem Russischen: ‘Was ist mit Ihnen, Ukrainerinnen, warum weinen Sie?’.

(29) Mojo telo, mojo delo (10.03.2021) aus dem Russischen: ‘Mein Körper, meine Angelegenheit’. (= Feministische Losung bei einem Frauenmarsch für das Recht auf Abtreibung.)

(30) Amanmyn, esen-saumyn. Özderıñız aman-saumysyz? (09.08.2021) aus dem Kasachischen: ‘Ich bin gesund und Sie?’ (Bei der Begrüßung.)

(31) Nauruz kutty bolsyn! (22.03.2019) – Formvariante Naurys kutty bolsyn! – ist ein kasachischer Glückwunsch zum Naurys, dem aus dem persischen Raum stammenden Neujahrsanfang, dem Tag der Frühjahrstagundnachtgleiche.

Die Behandlung der einzelnen russischen und kasachischen Elemente erfolgt in den Texten nicht einheitlich. Einmal erscheint zuerst die deutschsprachige Form, dann in Klammern die russische bzw. kasachische (transkribiert, seltener transliteriert, z.B. 13.08.2021, oder kyrillisch, z.B. 09.03.2021), einmal in umgekehrter Reihenfolge (z.B. 17.01.2019). Ferner geschieht die Transkription – zuweilen sogar innerhalb ein und desselben Belegs – nicht konsequent (vgl. Beleg 26). Ebenfalls uneinheitlich ist die Groß- vs. Kleinschreibung der transferierten Substantive (vgl. Belege 16 vs. 34).

Funktional liegt hier oft eine mediale Inszenierung der Mehrsprachigkeit vor. Die meisten Einheiten dieser Gruppe werden offenkundig aus pragmatischen Gründen eingesetzt, um den Texten Lebendigkeit und eine authentische kasachstanische Couleur zu verleihen., z.B. Belege (30) und (31), jedoch gibt es auch Fälle, in denen das Vorkommen von Belegen dieses Typs seitens des Textemittenten wohl nicht intendiert erfolgt, siehe (33) und (36).

4.2.2.2 Sprachkontaktphänomene semi-explizit

In diese quantitativ nicht erhebliche Objektkategorie gehören vier hybride Konstruktionen mit russischen und deutschen Anteilen; kasachisch-deutsche Komposita oder Wortverbindungen gab das Korpus dagegen nicht her. Obwohl hier eigentlich keine genuin deutschsprachigen Bestandteile vorliegen, kann von semi-expliziten Sprachkontaktphänomenen gesprochen werden, da z.B. im nachfolgenden Beleg der Vornamen Marusja wohl als deutsch aufgefasst wird, da er im Gegensatz zu тётя (‘Tante’) lateinisch geschrieben wird.

(32) тётя Мarusja (25.08.2021) aus dem Russischen: ‘Tante Marusja’

4.2.2.3 Sprachkontaktphänomene implizit

Diese Großgruppe coverter Transferenzerscheinungen stellt das weitaus umfangreichste Ensemble einzelner Untertypen dar und enthält insgesamt 223 Belege. Hier wird nicht das Sprachmaterial, sondern nur das Konzept ins Deutsche transferiert, d.h., im Wesentlichen werden Inhalte (Konzepte) der Bezugssprachen Russisch oder Kasachisch mit Redemitteln der deutschen Sprache ausgedrückt. Diese – meist zufällig, sporadisch jedoch intentional eingesetzte – bilinguale Praktik erscheint mehrsprachigen Personen häufig als effizient und ökonomisch, da sie ein Nominationsmuster der einen Sprache einfach auf die andere übertragen (vgl. Földes 2005, 190; 2022a, 131).

4.2.2.3.1 Wortschatz

Dieser Phänomentyp (einschließlich Aspekte der Semantik und der Wortbildung) setzt sich aus einem breiten Spektrum monolexematischer kontaktbedingter Ausprägungen zusammen. Die Zahl der extrahierten Auffälligkeiten beläuft sich auf 93, z.B.:

(33) In einem kleinen Dorf in der Nähe des Waldes lebte ein freundlicher Kater. Die Gastgeberin fütterte ihn mit Milch und er ging satt und freundlich durch das Dorf (23.10.2020).

In Beleg (33) ist mit Gastgeberin das Frauchen des Katers gemeint. Es ist anscheinend eine Transferenzübersetzung des im Russischen üblichen Pendants хозяйка oder seiner Lehnübersetzung ins Kasachische қожайын (хозяин) ‘Gastgeberin, Wirtin’. Hinzu kommt, dass von einem Kater und nicht von einer Katze die Rede ist, was damit zusammenhängen kann, dass im Russischen Kater oft (besonders z.B. in Märchen) generisch verwendet wird.

Ganz delikate Fälle von Mehrfach-Transferenzen sind auch anzutreffen, vgl. Beleg (34):

(34) Dass letzteres [d.h. Toilettenpapier – C.F.] nicht selbstverständlich ist, zeigt der Zug, in dem ich danach sitze: der klassisch sowjetische. Ich fahre platzkart (mitunter auch als „Holzklasse“ bekannt), die günstigste (umgerechnet ca. 25 Euro für 2000 Kilometer) und am wenigsten komfortable Variante, die nach meinem Dafürhalten aber gar nicht so schlecht ist. Die Abteile sind offen, insgesamt ca. 50 Betten pro Waggon, was für eine abhängig von den jeweiligen Nachbarn und der eigenen Stimmung recht lebhafte, ausgelassene oder auch nervtötende, laute Atmosphäre sorgen kann (04.06.2019).

Das Kontaktprodukt ich fahre platzkart ist auf russisch я еду в плацкарте oder auf kasachisch плацкартпен барамын zurückführbar, wobei im Hintergrund von platzkart deutsch Platzkarte steht, aber in einer von dieser abweichenden Bedeutung: ‘Großraum-Schlafwagen’, wie es auch aus dem Beleg (34) hervorgeht. Im nächsten Beleg befindet sich ebenfalls dieses Lexem in normativ deutscher Schreibung, aber mit der russischen Bedeutung, welche aus dem folgenden Satz kaum, sondern nur aus dem weiteren Text­umfeld ersichtlich ist:

(35) Die erste Nacht war wirklich schlimm. Es war sehr warm, obwohl es schon Herbst war. Die ersten paar Tage habe ich mit Platzkarte gebucht, und es war da sehr laut: Die Leute schleichen, Kinder spielen im Flur, jemand hört Radio (25.05.2021).

Somit wird schon der Bereich der Transferenzbedeutungen angesprochen. Beleg (36) operiert mit dem Lexem Artist, das im Deutschland-Deutschen hauptsächlich ‘Künstler in Zirkus und Varieté’ bedeutet; das russische Pendant артист und die kasachische Version әртіс beziehen sich hingegen allgemeiner auch auf Schauspieler und sonstige Künstler. Diese kontaktbedingte Bedeutung taucht auch im folgenden Beleg auf:

(36) Am Abend traten die Artisten aus Kasachstan zusammen mit der Theatergruppe aus Berlin auf einer Bühne auf (03.01.2020 – analog auch 22.02.2021).

Salienzen können auch von einfachen zwischensprachlich divergenten Bedeutungen herrühren wie Repetition (Beleg 37; 25.11.2019) im Sinne von ‘(Theater-)Probe’ nach russisch репетиция oder Brigade (Beleg 38; 27.10.2021) im Sinne von ‘Arbeitsgruppe, kleines Team in einem Produktionsbetrieb’18 (die übliche Deutschland-deutsche Bedeutung ist etwa ‘größere Truppenabteilung aus Verbänden verschiedener Waffengattungen’). Interessant ist das Item Maschine (Beleg 39; 05.10.2019), dessen primäre Bedeutung sowohl im Deutschen als auch im Russischen übereinstimmt (‘großes Arbeitsgerät’), wobei aber eine sekundäre Bedeutung im Deutschen ‘Flugzeug’ (oder eventuell ‘Motorrad’) ist, während im erwähnten Vorkommensbeleg – nach russischem Vorbild – ‘Auto’ gemeint ist.

Ein Teil der Auffälligkeiten ergibt sich aus dem unterschiedlichen Referenzbezug von Bezeichnungen wie dem Oikodonym Weißes Haus (Beleg 40; 18.02.2021), im kasachischen Original Ақ Орда, das den Sitz von Präsidialverwaltung und Parlament in Nur-Sultan umschreibt.

Auch eine Differenz im Bedeutungsumfang zwischen den kontaktierenden Sprachen kann zu Auffälligkeiten führen. Beispielsweise liegt dem Beleg (41) wohl eine Unterspezifizierung des russischen Verbs учиться oder des kasachischen Verbs оқу im Vergleich zur semantischen Distinktion im Deutschen: lernen (in einer Schule) und studieren (in einer akademischen Einrichtung) zugrunde.

(41) Man kann nur staunen, wie hochprofessionell die fünf Musiker sind. In der Fragerunde wird klar: sie haben alle gelernt (einer ist noch Student) – am Kasachischen Nationalkonservatorium Kurmangazy sowie an der Kasachischen Nationalen Akademie der Künste Schurgenow (01.11.2019).

Zu den weiteren – und sogar recht frequenten – Belegen mit Wortschatzrelevanz gehört der Gebrauch von Mädchen (Beleg 42; z.B. 14.07.2020, 19.08.2020, 14.12.2020, 30.12.2020, 06.08.2021) im Sinne von ‘erwachsene Frau’, in den die Semantik der russischen Entsprechung девушка hineinspielt. Der Bedeutungsumfang des Lexems ist in der deutschen Gegenwartssprache enger: Es bezeichnet ein Kind weiblichen Geschlechts, während sich das russische Pendant auch z.B. auf Studentinnen und letztlich sogar auf eine Frau beliebigen Alters beziehen kann (etwa auf eine Kellnerin oder Verkäuferin). Für eine analoge Verwendung von Jungen (Beleg 43; z.B. 20.08.2021) bzw. Jungs (Beleg 44; 02.04.2020, 23.07.2020) gab es auch Beispiele.

Auch bei zwei Werktiteln als Eigennamen konnten Kontakteinflüsse postuliert werden, z.B. beim Märchentitel Drei Schweinchen (Beleg 45; 30.08.2019), wohl nach russisch Три поросëнка oder nach kasachisch Үш торай; die authentische deutsche Fassung des englischen Originals (The Three Little Pigs) heißt Die drei kleinen Schweinchen.

4.2.2.3.2 Ausdruck

Hinsichtlich von Ausdruck bzw. Prägungsmuster fallen bei den identifizierten zwölf Belegen verschiedene kontaktsprachlich bedingte Besonderheiten auf.

(46) Seit 1993 Jahr gestalten die Schüler des 18. Gymnasiums in Almaty und des Ernst-Abbe-Gymnasiums in Oberkochen eine lange und erfolgreiche Schulpartnerschaft (13.01.2020).

Diese auch grammatisch markierte Formulierung spiegelt im Wesentlichen die Struktur eines russischen Satzes wider: С 1993-го года формируется учениками […] сотрудничество между […]; eine unmarkierte Variante wäre: Seit 1993 führen/haben […] eine Schulpartnerschaft.

(47) In der sechsten Klasse zog ich jedoch in eine andere Schule (03.09.2020).

Beleg (47) dürfte auf eine sprachübliche Ausdrucksweise des Russischen zurückgehen: перешла в другую школу, wohingegen ein Medientext im deutschen Sprachraum etwa so lauten würde: […] wechselte ich auf eine andere Schule.

4.2.2.3.3 Formelhafte Sprache

Im Bereich des figurativen bzw. formelhaften Sprachgebrauchs springen – bei einem Volumen von 24 Belegen – mehrere unterschiedliche Typen ins Auge.

Einige Wendungen erschließen sich einem monolingualen deutschen Leser wohl kaum, wie Beleg (48).

(48) Marketing und die persönliche Marke sind auch im Alltag notwendig, weil Sie19 den Menschen zeigen können, wer Sie sind, und weil sie Ihre Stärken und Kompetenzen zeigen. Es ist wichtig, heute ein Schuhmacher mit Stiefeln zu sein (04.10.2021).

Hier geht es um eine Anspielung auf die russische Redensart сапожник без сапог ‘Schuhmacher ohne Stiefel’, d.h., der Meister sollte selbst die Sache besitzen, die er herstellt. Im Russischen kommt meistens die negative Bedeutung, also mit der Präposition ohne, vor. Denn es kann passieren, dass man für andere etwas macht, was man sich selbst nicht gönnt. Das russische Original gewinnt auch dadurch an Ausdrucksstärke, da der Beruf Schuhmacher – сапожник – wörtlich ‘Stiefelmacher’ heißt, wodurch die Komponente Stiefel noch einmal direkt aufgegriffen wird.

Die im Russischen sehr gängige, im Deutschen hingegen so nicht geläufige, jedoch verständliche Metapher Fenster nach Europa (aufstoßen) – im Original: (пробивать) окно в Европу – kommt im Datenkorpus mehrere Male vor:

(49) Für die Studierenden der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) tut sich das Fenster nach Europa noch ein Stück weiter auf (21.10.2019, analog auch 09.02.2021).

Die Wendung bezeichnet die russischen Ambitionen um 1700, einen freien und zugänglichen Handelshafen an der Ostseeküste zu gewinnen.20 Diese Bildlichkeit steht zugleich für die Modernisierung Russlands nach westlichem Vorbild. Die Verwendung dieser Metapher im Gedicht von A. S. Puschkin „Der eherne Ritter“ (im Original Медный всадник) dürfte auch dazu beigetragen haben, dass dieser Ausdruck heute im Russischen als etabliertes geflügeltes Wort gilt (vgl. Serov 2004, 542–543).

Auch traditionelle kasachische Redensarten machen ab und an auf sich aufmerksam, die allerdings mit Zitatcharakter verwendet werden, also kaum anders darstellbar sind:

(50) „Nur Wölfe essen mehr Fleisch als Kasachen“ lautet ein Sprichwort (12.03.2020).

Wenngleich das in dieser Form kein festes kasachisches Sprichwort ist, gilt tatsächlich, dass Kasachen traditionell sehr viel Fleisch essen, und es wird im Alltag kolportiert, dass sie ohne Fleisch nicht existieren können.

Russisch geprägte Kollokationen treten auch regelmäßig auf:

(51) Wir möchten unsere besondere Dankbarkeit der Organisatorin dieses Projektes, Frau Nina Massejkowa, ausdrücken, die jeden Tag allen Veranstaltungen beiwohnte und dabei mitmachte (07.01.2020, analog auch 05.10. 2021 und 07.12.2021).

In der Mediensprache des deutschen Sprachraums hätte man wohl die Verbalphrase Dank aussprechen (und nicht Dankbarkeit) bevorzugt. Wahrscheinlich hat hier ein Kontakteinfluss von russisch выразить благодарность ‘Dankbarkeit ausdrücken’ den Ausschlag gegeben.

4.2.2.3.4 Grammatik

Die Zahl der sprachkontaktrelevanten morphologischen und syntaktischen Ausprägungen beträgt 42. Einen der erfassten Typen verkörpert die Artikelverwendung. Einerseits sind auf dem Gebiet der grammatischen Muster von Definitheit Unsicherheiten zu beobachten, was damit zu tun haben mag, dass sowohl das Russische als auch das Kasachische artikellose Sprachen sind. Folglich wird oft Nullartikel verwendet, wo ein Deutschland-deutscher Leser einen Definitartikel (oder in anderen Fällen einen Indefinitartikel) erwartet oder umgekehrt (z.B. Beleg 52).

(52) […] Frauen und Männer können gemeinsam lernen. Gemeinsam einen Weg für neue Strukturen entwickeln“, ist junge Frau überzeugt (08.03.2019).

Andererseits liegt der auffällige Artikelgebrauch ab und zu in der nicht-kanonischen Genuswahl. In Beleg (53) dürfte die feminine Genuszuweisung womöglich damit zusammenhängen, dass die ähnlich klingende russische Entsprechung von Planetпланета – Femininum ist.

(53) Wenn wir alle täglich etwas Schönes und Nützliches für andere machen würden, dann wäre unsere Planet viel besser (27.02.2020).

Verschiedene andere Besonderheiten morphologischer Natur sind ebenfalls zu beobachten wie z.B. der Numerusgebrauch, vgl. Beleg (54). Hier ist eine Transferenz sehr wahrscheinlich, da im Sinne der russischen Grammatik in einer Nominalgruppe bei zwei Attributen das Bezugssubstantiv im Plural stehen muss. Im vorliegenden Satz wurde der Familienname Worobjow in Pluralform gesetzt, was eventuell damit zu erklären ist, dass der (in diesem Falle bundesdeutsche) Redakteur diese Form im Russischen so vorfand und sie bei der Perzeption nicht weiter analysierte, sondern unreflektiert für das Deutsche übernahm.

(54) Wir haben mit Jelena und Wiktor Worobjowi zwei Bühnenbildner, die in Almaty leben und arbeiten (30.09.2019).

In Hinsicht auf syntaktische Besonderheiten lässt sich beispielsweise das Feld der Tempora hervorheben. Hierbei treten Schwankungen bei der Tempuswahl auf und auf eine Consecutio temporum wird kaum zurückgegriffen; möglicherweise, weil im Russischen und Kasachischen nur ein Vergangenheitstempus existiert. Zum Beispiel hätte sich in Beleg (55) eine Kombination von Präteritum und Plusquamperfekt angeboten, also begann und evakuiert hatte:

(55) Die Produktion begann mit Maschinen und Ausrüstungen, die man im Zuge des Zweiten Weltkriegs aus dem ukrainischen Charkow nach Alma-Ata evakuierte (30.09.2021).

Die Belege mit Valenz- und Rektionsauffälligkeiten sowie mit der Verwendung von Präpositionen bilden eine quantitativ starke Subgruppe:

(56) Seit elf Jahren ist Katharina dabei, ihre „ganze Leidenschaft zum Theater mit den Studierenden zu teilen“ (06.11.2020).

Im Hintergrund der Formulierung kann die formanaloge russische Präpositionalphrase страсть к театру vermutet werden, wobei man im deutschen Sprachraum Leidenschaft für etw. sagt.

Ähnlich verhält es sich auch mit Beleg (57), in dem nicht ein reiner Kasus, sondern ein Präpositionalkasus eingesetzt wurde.

(57) Weit verbreitet ist der Kauf von Stimmen. Berichten zufolge wurden bereits Lehrer und andere Staatsangestellte bezahlt, um für eine bestimmte Partei zu wählen (29.09.2020).

Hier scheint die Konstruktion голосовать за определëнную партию (mit der Präposition за ‘für’) die Transferbasis gewesen zu sein.

Markierte Satzgliedstellungen, die (teilweise) mit Sprachkontakten erklärt werden können, sind ebenfalls anzusprechen:21

(58) Seit ich mich wieder mit diesem unsichtbaren Faden verbunden habe nach 30 Jahren, höre ich die Tjubetejka zu mir sprechen und auch meinen Geburtsgeist („Ayami“-Geist im Sibirischen) (01.07.2021).

Eine unmarkierte Variante wäre: Seit ich mich nach 30 Jahren wieder mit diesem unsichtbaren Faden verbunden habe, höre ich die Tjubetejka und auch meinen Geburtsgeist („Ayami“-Geist im Sibirischen) zu mir sprechen.

4.2.2.3.5 Stilgestaltung

Bei den 21 Belegen dieser Gruppe kann man in erster Linie Schwankungen stilistisch-pragmatischer Art sowie eine wenig ausgeprägte Differenzierung der Textsorten und Textsortenvarianten als Medienformate konstatieren. Überdies stößt man auf verschiedene punktuelle Auffälligkeiten beispielsweise in der Wortsemantik bzw. aufgrund des stilistisch-pragmatischen Wertes einzelner Lexeme in der Wortstilistik; beispielsweise begegnen dem Leser in einem Artikel im Ressort Wirtschaft stark umgangssprachliche Wörter:

(59) Der Grund dafür war aber nicht nur die positive fundamentale Entwicklung des Unternehmens, sondern auch eine Hammer-Nachricht, die im Oktober über die Anleger von KAZ Minerals hereinbrach. […] Ähnlich argumentierten auch die Aktionäre des niederländischen Diagnostikspezialisten Qiagen, als ebenfalls im vergangenen Jahr ein Übernahmeangebot des US-Laborriesen Thermo Fisher reinflatterte (13.07.2021).

Oft treten mündlichkeitstypische oder gar saloppe Formulierungen in Erscheinung wie dumm nur, dass… (Beleg 60; 07.08.2020); echt aufregende Reise (Beleg 61; 02.09.2021) oder toll gefördert (Beleg 62; 28.10.2019). In anderen Fällen entspricht die pragmatische Wirkung nicht der Art des gegebenen Kontextes, wie in Beleg (63), in dem das Pluralsubstantiv Halbwüchsige offenbar neutral (oder gar positiv) gemeint war, aus bundesdeutscher Sicht jedoch eine eher negative Wertung impliziert; unmarkiert wäre z.B. die Variante Heranwachsende:

(63) Viele Halbwüchsige achten anscheinend sehr auf ihre Gesundheit (21.02.2019).

Die Verwendungsweise des Relativadverbs wo als Konjunktion in temporalem Sinne ist, wie auch Pittner (2004, 357) anmerkt, grundsätzlich der mündlichen Sprachvarietät zuzurechnen. In den DAZ-Beiträgen finden sich schriftliche Vorkommen, z.B.:

(64) Es gibt natürlich auch Situationen, wo er mich flehend anschaut, weil Hundertfünfzigtausend Kinderhände seinen Kopf anfassen (25.01.2019).

Bei dieser Beleggruppe sind Sprachkontaktszenarien eher nur indirekt anzunehmen: Für die Auffälligkeiten dürften speziell bei kasachstanischen Textproduzenten22 ihre überwiegend russisch (und z.T. kasachisch) geprägten Textsortenkompetenzen bzw. -routinen und ihre geringere Erfahrung in der Erstellung standarddeutscher Medienprodukte verantwortlich sein.

4.2.2.3.6 Text und Diskurs

Texte sind bekanntlich komplexe Zeichen mit mannigfaltigen semiotischen und kulturellen Facetten. In diesem Zusammenhang manifestiert sich ein Charakteristikum vieler DAZ-Artikel bezüglich der Textbildung bzw. -gestaltung in subtilen – mehr oder weniger verfestigten – konventionellen Performanzmustern der Kontaktsprachen und in diesbezüglichen Mischformen. Die Beleggröße beträgt acht, wenn die kategorial identischen Phänomene hier jeweils als ein Beleg gezählt werden. Ein Beispiel im Bereich der Konnexivität ist die Auffälligkeit, dass Texte russischen und kasachischen Vorbildern folgend oft unverbundene parataktische Strukturen aufweisen und Aufzählungen häufig asyndetisch einfach durch Kommata verknüpft werden:

(65) Alle Gruppen waren sehr kreativ: Präsentationen, selbstgedrehte Videos, Lieder, Tänze, Spiele, Theater sorgten für Abwechslung und ließen niemanden kalt (06.03.2020).

(66) Sie sahen Netflix auf Deutsch, aßen deutsche Würstchen mit Kartoffelsalat, besuchten deutsche Familienfeste (13.01.2020).

Die empirische Sichtung der Texte wies sprachlich-kommunikative Kontaktspuren nicht lediglich punktuell (z.B. semantisch oder syntaktisch), sondern auch im Hinblick auf die Makrostruktur und die kommunikative Grundhaltung nach; sind doch Diskurstraditionen als kulturelles und sprachliches Wissen tief verwurzelt. Als Illustrationsbeispiel kann etwa ein „Märchen aus Kasachstan für kleine deutsche Leser“ (Beleg 68; 23.10.2020) dienen. Neben zahlreichen lexikalischen, grammatischen und anderen Eigenheiten hat der Text in seiner Gesamtheit eine fremdartige Ausstrahlung, beispielsweise wirkt die Unterhaltung der Tiere sehr förmlich, fast gestelzt, und das Siezen ist in diesem Zusammenhang auch ungewöhnlich.

4.2.2.3.7 Graphie

Auswirkungen der Kontaktsprachen konnten selbst auf der Ebene der Graphie bei drei Belegen ausgemacht werden, z.B. Öko-Guid (Beleg 68; 14.12.2020) mit dem Grundwort Guide, das in Anlehnung an das russische und das kasachische гид ohne <e> geschrieben wurde oder Butik (Beleg 69; 30.12.2020, analog auch 05.02.2021) ‘Boutique’ nach dem Vorbild von russisch und kasachisch бутик.

4.2.2.3.8 Gebrauchsfrequenz

In etlichen Fällen sind offenbar sprachkontaktbezogene Bevorzugungen (bzw. Vermeidungsstrategien)23 einer von mehreren möglichen Varianten, also vom Deutschland-Deutschen abweichende Frequenzmuster, zu registrieren. Im folgenden Beleg wurde der Gebrauch des Lexems Ingredienzien ‘Inhaltsstoffe’ wahrscheinlich durch das frequentere russische (ингредиенты) und/oder kasachische (ингредиенттер) Fremdwort motiviert, wobei die deutsche Entsprechung Ingredienzien seltener und eher fachsprachlich verwendet wird, da die deutsche Sprache dafür auch die Alternativen Zutaten, Bestandteile oder Inhaltsstoffe bereithält.

(70) Ehrlich gesagt, ist es sehr schwer, immer diese kleine Liste der Ingredenzien [sic!] zu lesen und dabei alle gefährlichen Stoffe zu kennen (25.08.2020).

In der Kategorie Frequenz sind auch Anglizismen (im Korpus 20 Belege) zu erwähnen, die in DAZ-Beiträgen offensichtlich seltener vorkommen als in vergleichbaren Medientextsorten in Deutschland, wahrscheinlich, weil die Neigung zum Einsatz von Anglizismen heute auf dem deutschen Sprachgebiet viel ausgeprägter zu sein scheint als im russischen oder kasachischen Raum. Das mag vielleicht mit sprachkulturellen Faktoren zusammenhängen oder mit der pragmatischen Überlegung, dass z.B. bei der kasachstandeutschen Leserschaft (vor allem der älteren Jahrgänge) weniger Englischkenntnisse vorausgesetzt werden.

4.2.3 Verfremdungseffekte

Nicht bei allen festgestellten Salienzfällen sind Sprachkontaktmechanismen am Werk, denn viele von ihnen können als nicht intendierte Effekte von „Verfremdungen“ angesehen werden, z.B. Kontrastverschiebung oder -übertreibung, die aus einem unsicheren Umgang mit der deutschen Standard- bzw. der Mediensprache resultieren (etwa Übergeneralisierung von Gebrauchsnormen bzw. -konventionen des Sprachsystems).

Die zu dieser Gruppe zu zählenden 64 Belege bieten eine breite Skala an Manifestationsformen auf sämtlichen Sprachebenen. Hier seien jedoch nur einige wenige Illustrationsbeispiele angeführt:

(71) Die Sommerakademie fand bereits das 27. Mal statt und versammelte 15 Journalisten, zwischen 19 und 32 Jahre alt, aus acht Ländern Mittel- und Osteuropas in München (02.09.2019).

Gemeint war bestimmt: […] 15 Journalisten zwischen 19 und 32 Jahren […].

(72) Sicher aber ist, dass ihr schöpferisches Leben damals an „ihrem Theater“ äußerst abwechslungsreich und attraktiv war – trotz ihrer Bescheidenheit und der Befürchtung, manchmal zu viel ihren Senf zum Geschehen abzugeben und sich aufzuspielen (07.09.2020).

Eine unmarkierte Wahl hätte zu viel von ihrem Senf sein können.

4.2.4 Flüchtigkeitsfehler

In diese Objektkategorie sind 99 Fehlleistungen einzusortieren, die sich nicht aus lückenhaftem Wissen oder Können, sondern aus Unachtsamkeit ergeben, wie etwa Tippfehler;24 solche können auch in journalistischen Beiträgen im deutschen Sprachraum passieren. Aus Umfangsgründen seien lediglich zwei Belege genannt: in Anbetracht der zunehmende Zahlen (Beleg 73; 04.01.2019) und bißchen (Beleg 74; 03.09.2020 und 16.09.2020).

4.3 Salienzen primär kulturbezogener Natur

4.3.1 Xenismus als Beschreibungsinstrument

Die Sichtung der Belege zeigt, dass eine Reihe von Salienzen nicht genuin sprach-, sondern eher kulturinduzierter Natur ist. Diese können mit Einsatz des Konstrukts „Xenismus“ analytisch erschlossen werden. Als Nominaldefinition soll darunter im vorliegenden Beitrag verbale, visuelle oder akustische sprachliche und/oder kulturelle – intendierte oder ungewollte – synchron interpretierte Fremdartigkeit im Sinne von Fremdheitssignalen verstanden werden. Ihre angemessene Dekodierung ist jeweils nur durch Einbeziehung des Spannungsfeldes zwischen Äußerungsinformation und Kontextinformation möglich (vgl. Földes 2022a, 137; 2022b, 14).

4.3.2 Realienbezeichnungen

In den DAZ-Beiträgen ist – als Manifestation des kulturellen und kommunikativen Gedächtnisses – wie erwartbar eine Vielzahl von kasachstanbezogenen Realienbezeichnungen verschiedener Art aus der russischen oder der kasachischen Sprachkultur enthalten. Das Datenkorpus umfasst 71 russische und 91 kasachische bzw. zentralasiatische Items; im Weiteren wird aus Platzgründen nur auf letztere eingegangen.25 Ein Teil von ihnen wird unkommentiert verwendet, sodass sie für nicht-eingeweihte Rezipienten ohne verstehensrelevantes Wissen nicht oder nicht ganz dekodierbar sind, z.B. bezeichnet Ujat (Beleg 75; 30.12.2020 und 11.03.2021) das in Kasachstan verbreitete Phänomen des ұят (‘Schande’, z.B. die Homosexualität einer Frau) und Tjubetejka (Beleg 76; 01.07.2021 kasachisch төбетей ‘eine runde und kegelförmige Kappe mit eingestickten oder gewebten Mustern als traditionelle Kopfbedeckung der Völker Zentralasiens’). Andere kulturbezogene Begriffe werden mal erläutert, mal ohne Erklärung verwendet, z.B. Jelbasy (Beleg 77; 20.03.2019 vs. 16.12.2021) kasachisch елбасы ‘Führer der Nation’, also ein Titel, der Nursultan Nasarbajew 2010 vom Parlament verliehen wurde. In wiederum anderen Fällen geht die Bedeutung des gegebenen Lexems allenfalls aus dem Textzusammenhang hervor wie bei Piala (Beleg 78; 03.06.2021) ‘zentralasiatisches Trinkgefäß’.

Die meisten Belege repräsentieren die folgenden Sachgruppen:

(a) Staatswesen, Verwaltung, Institutionen, z.B. das Ergonym Madschilis (Beleg 79; 30.04.2019, 01.03.2020) bzw. Maschilis (Beleg 80; 01.03.2019, 15.03.2019, 27.09.2019, 04.10.2019, 12.11.2019, 12.02.2020, 01.03.2020, 26.11.2020, 18.01.2021, 06.10.2021) Original: Мәжіліс ‘Unterhaus des kasachstanischen Parlaments’; Akimat (Beleg 81; 02.05.2019, 15.01.2020, 01.03.2020, 03.03.2020, 22.07.2020, 30.07.2020, 05.08.2020, 19.11.2020, 25.03.2021, 15.04.2021, 03.11.2021) kasachisch әкімат ‘Stadtverwaltung’ und Volksversammlung Kasachstans (Beleg 82; 11.10.2019, 25.11.2029, 10.02.2020, 27.02.2020, 28.02.2020, 01.03.2020, 01.05.2020) auf Russisch Ассамблея народа Казахстана, auf Kasachisch Қазақстан халқы Ассамблеясы ‘Gremium mit Verfassungsrang, das 130 Ethnien und 17 Religionen vereint, um die Zusammenarbeit zwischen Staat und Gesellschaft zu fördern’.

(b) Lokalitäten, z.B. das Mikrotoponym Treppe der Gesundheit (Beleg 83; 28.05.2019, 01.06.2020) Original: Лестница здоровья ist ein aus sowjetischer Zeit stammendes beliebtes Ausflugsziel in den Bergen rund um Almaty, die vom Eisstadion Medeo (kasachisch Медеу) zum gleichnamigen Lawinendamm führt oder das Ergonym ALSCHIR/ALZHIR (Beleg 84; 29.05.2019, 27.08.2021) als russisches Akronym für den Gulag ‘Akmolinsker Lager für Frauen von Vaterlandsverrätern’.

(c) Feste, z.B. neben dem Nauruz wie in Beleg (31) auch Nouruz (Beleg 85; 11.10.2019, 13.03.2020, 20.03.2020, 30.04.2020, 04.05.2020), Nauryz (Beleg 86; 22.03.2019, 10.03.2021, 01.05.2021) oder Kuban Ait (Beleg 89; 30.07.2020 bzw. Kuban-Ait (Beleg 88; 01.05. 2021) ‘islamisches Opferfest’.

(d) Bräuche und Rituale, z.B. Hashar (Beleg 89; 30.11.2020, 28.12.2020) ‘freiwilliger Arbeitseinsatz’ und Nikah (Beleg 90; 01.05.2021) ‘traditionelle muslimische Trauungszeremonie’.

(e) Kulinarik, z.B. Kumys (Beleg 91; 25.05.2029; 08.10. 2020); Beschbarmak (Beleg 92; 12.03.2020, 18.09.2021); Manti (Beleg 93; 12.03.2020) oder Plow (Beleg 94; 13.03.2019, 14.03.2019, 06.05.2019, 04.06.2019, 20.09.2019, 20.11.2019, 28.11.2019, 30.01.2020, 27.02.2020, 12.03.2020, 12.02.2021 oder als Plov 29.12. 2020), um nur einige Gerichte zu nennen.

(f) Musikinstrumente: Dombra (Beleg 95; 14.04.2020, 29.12.2020, 01.04.2021, 29.11.2021 bzw. dombyra (01.11.2019) oder Domra (01.05,2020); Rubob (Beleg 96; 01.05.2020) oder Komus (Beleg 97; 01.05.2020).

(g) Traditionelle Lebensweise, etwa Aul (Beleg 98; 07.07.2021) ‘Zeltlager, Dorfsiedlung der Turkvölker’ oder Bestandteile der Jurte wie Uyk (Beleg 99; 06.04.2021) und Schanyrak (Beleg 100; 06.04.2021).

4.3.3 Kontextualisierung und Perspektivierung

Viele Artikel zeichnen sich durch eine spezifische Standortgebundenheit aus, da textuelle Manifestationen zuweilen Blickrichtungen auf Realitäten und deren Einordnung nahelegen. Denn jeder Sprachträger ist fester Teil seiner eigenen Diskurskultur, er sammelt Erfahrungsstrukturen und gewinnt entsprechende Wissensbestände, die dann – oft unreflektiert – in den Formulierungsroutinen und den Bedeutungen ihren Niederschlag finden (vgl. Földes 2022b, 15). Eine spezifische Perspektivierung offenbart sich z.B. darin, dass unter Mutterland Deutschland verstanden wird (Beleg 101; 11.10.2019, 09.05.2020, 25.03.2021), während Vaterland auf Kasachstan bzw. die Sowjetunion referiert (Beleg 102; 29.05.2019, 03.03.2021, 13.05.2021).

Es äußert sich auch darin ein kultureller Standortbezug, dass der Zweite Weltkrieg der sowjetisch-russischen Sichtweise entsprechend oft mit der lexikalisierten Wortgruppe der Große Vaterländische Krieg (Beleg 103; 16.11.2019) – eine Transferenzübersetzung von russisch Великая Отечественная война – apostrophiert wird. Dabei wird die Bezeichnung gelegentlich durch Anführungszeichen (Beleg 104; 29.04.2019, 23.02.2021) oder ein vorgestelltes sog. markiert (Beleg 105; 13.05.2021). An einer Stelle steht sie nur in Klammern nach deutsch-sowjetischer Krieg in der grammatisch auffälligen Form: Große Vaterländische Krieg (Beleg 106; 30.04.2021). Allerdings kommt auch das Praxonym Zweiter Weltkrieg (Beleg 107; z.B. 11.01.2019) im Datenkorpus 43-mal vor.

4.3.4 Genderbezogene Ausdrucksformen

Die Zahl der gendersprachlichen Auffälligkeiten beträgt im Korpus 13. In den DAZ-Beiträgen lässt sich ein kunterbunter Gendermix feststellen: eine Mischung aus Nicht-Gendern, Gendern und inkonsequentem Gendern. In manchen Beiträgen kommen gleichzeitig sogar drei verschiedene Techniken vor, Beidnennung: Teilnehmerinnen und Teilnehmer, generisches Maskulinum: Mitarbeiter und Neutralisierung durch Partizip-Präsens-Ableitungen: Demonstrierende (Beleg 108; 10.03.2021); ähnlich auch z.B. Studenten (Beleg 109; 23.09.2021) vs. Teilnehmer/in (Beleg 110; 04.04.2019), aber in demselben Text BewerberInnen. Die Bemühung um geschlechtersensible Sprachverwendung bringt mitunter grammatisch markierte Formen hervor wie z.B. hinsichtlich der Kongruenz im Genus: Nachwuchskraft […], der/die […] (Beleg 111; 08.08.2019), Aruzhan Iskakowa ist eine der talentierten jungen Designer (Beleg 112; 30.12.2020) und Sollte man keine erfahrene Bergsteigerin sein, […]26 (Beleg 113; 03.02.2020).

4.3.5 Kulturvergleiche in der DAZ

Im Korpus tritt viel Landeskundliches zum Vorschein. In diesem aus 51 Belegen bestehenden Block führt z.B. ein Bericht aus, dass im Gegensatz zu Deutschland die Wohnungen und die Schulen in Kasachstan nummeriert werden (Beleg 115; 01.07.2021) und dass man in Kasachstan Älteren gegenüber Respekt erweist (Beleg 116; 03.07.2019). Die Mai-Feiern werden in Beleg (117) (01.05.2020) aus deutscher und aus kasachstanischer Sicht kontrastiv behandelt. Genauso findet man z.B. eine ausführliche und recht naturalistische Beschreibung der Toiletten und ihrer Nutzung, die „für Mitteleuropäer spannend“ sind und dabei das Toilettenpapier als Seltenheit gilt,27 ferner, dass man bei Taxifahrten und auf dem Basar „feilschen muss“ (Beleg 118; 03.09.2019).

Bemerkenswert ist, dass der in der Fußnote 2 erläuterte Usus, dass die Einwohner integrativ als Kasachstaner betrachtet werden und auf das Land bezogen das Adjektiv kasachstanisch üblich ist, nicht immer konsequent eingehalten wird, denn derselbe Beitrag thematisiert die kasachische Gesellschaft und die kasachstanischen Medien (Beleg 118; 08.03.2019, analog auch 27.03.2019).

5 Inkonsequenzen und Fehler

Unter 4.2.4 wurden speziell sprachliche und orthographische Flüchtigkeitsfehler thematisiert, zudem konnte eine reflektive Beschäftigung mit DAZ-Beiträgen auch eine Reihe inhaltlicher, redaktioneller und typographischer Fehler sowie Mängel zutage fördern. Stellvertretend seien hierzu nur uneinheitliche Schreibungen angeführt. In einigen Fällen geschieht dies zwischen verschiedenen Artikeln, z.B. Tienschan-Gebirge (Beleg 119; 15.02.2019, 29.03.2019, 04.04.2019, 03.05.2019, 25.05.2019, 06.08.2019, 12.08.2020, 14.08.2020, 22.12.2020, 20.09.2021) vs. Tian-Shan-Gebirge (Beleg 120; 08.04.2020, 04.05.2021) vs. Tien-Shan-Gebirge (Beleg 121; 19.09.2019), in anderen Fällen passiert das sogar innerhalb eines Beitrags, z.B. Zentralasientour vs. Zentral-Asientour (Beleg 122; 19.04.2019).28 Gelegentlich kommen auch ungewöhnliche oder gar merkwürdige Schreibungen vor, wie matt in 1 Zug (Beleg 123; 01.06.2020, analog auch 11.05.2021, 05.10.2021) oder der Apostroph bei Präposition-Artikel-Klitika: für’s deutsche Depot (Beleg 124; 07.05.2021).

Zu den inhaltlichen Irrtümern (fünf Belege) gehört die Behauptung, dass ein „vegetarisches Restaurant in Almaty“ […] „vollkommen ohne tierische Produkte“ auskomme (Beleg 125; 12.03.2020), dies wäre dann allerdings ein veganes Restaurant. Außerdem heißt Goethes berühmtes Gedicht nicht Wanderers Nachtlied (Beleg 126; 30.08.2019), sondern Wandrers Nachtlied.

6 Fazit und Schlussgedanken

Die moderne Linguistik geht davon aus, dass Variabilität eines der signifikanten Merkmale der Sprache und elementare Voraussetzung für eine effektive Kommunikation ist und das gesamte System der Sprache wie auch deren Verwendung erfasst (vgl. z.B. Adli/García García/Kaufmann 2015, 1–2; Dubrovina 2015, 44; Trask 2007, 315–316; Wardhaugh/Fuller 2021, 6). Die phänomenorientierte Itemanalyse ergab, dass dies auf den hier untersuchten sprachkommunikativen Mikrokosmos mit besonderem Nachdruck zutrifft: Seine zentrale Sonderheit besteht gerade in der plurikausal (vor allem kultur- bzw. sprachkontakt- und sprachkompetenzbedingt) motivierten hochgradigen Variation. Denn die Textemittenten stehen vor einer doppelten Herausforderung: Erstens gibt es aufgrund unterschiedlicher Lebenswelten oft keine konzeptuellen Entsprechungen in der Zielsprache bzw. -kultur Deutsch (im bundesdeutschen Sinne), sodass die Textemittenten ständig zwischen Sprachen, Kulturen und Denk- bzw. Handlungsweisen pragmatisch „übersetzen“ müssen. Zweitens verfügen mitunter selbst dieselben (Sprach-)Zeichen über eine abweichende Stellung im System der jeweils anderen Sprache bzw. Kultur, etwa im Hinblick auf Pragmatik und Stilistik. Folglich differiert nicht nur die referenzielle, sondern auch die soziale Bedeutung der Kommunikate.

Eine Form von Varianz kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Texte je nach Verfasser erhebliche Unterschiede aufweisen. Soweit der Verfassername mit angegeben war, konnte festgestellt werden, dass in den Schriftprodukten russisch- und/oder kasachischsprachiger Autoren naturgemäß häufig z.B. mehrsprachigkeits- bzw. kontaktinduzierte Phänomene verschiedener Art auftreten, während die Beiträge bundesdeutscher Journalisten kaum Auffälligkeiten zeigen.

Insgesamt ist deutlich geworden, dass die digitalen DAZ-Beiträge die Potenziale des elektronischen Trägermediums, des World Wide Web, vielfältig nutzen; die Realisierung der Zeitung als Hypertext bietet ja zahlreiche neue Möglichkeiten. Die Online- und die Druckversion der DAZ unterscheiden sich jedoch nicht nur technisch, d.h., dadurch, dass die traditionelle Zeitung ein sekundäres und die Internet-Version heute ein quartäres Medium verkörpert, sondern auch in der journalistischen und sprachlichen Ausgestaltung. Wenngleich sich Journalisten in einem digitalen Umfeld in hohem Maße derselben Darstellungsformen und gestalterischen Mittel bedienen wie auch in herkömmlichen Druckmedien, setzen sie zusätzlich Formate wie Videobeiträge, Podcasts oder Live-Streams ein, sodass sich auch neue Darstellungsformen etablieren. Man kann generell einen Ausdifferenzierungsprozess von Darstellungs- und Stilformen konstatieren; Journalisten können auf ein immer größeres Arsenal an Sprachmitteln und -form(variant)en zurückgreifen.29

Zu den Besonderheiten des Online-Engagements als zunehmend eigenständige Mediengattung gehört, dass es – simplifizierend gesagt – vorrangig darum geht, inhaltlich zu berichten und nicht unbedingt darum, sich kunst- und stilvoll zu artikulieren, gleichsam nach der Devise: Hauptsache, Thema und Text sind auf dem Markt und in Umlauf. Dazu kommen ganz neue Anforderungen bzw. Strategien beim Verfassen von Online-Texten, z.B.: (1) Teaser und Artikeleinstieg doppeln sich meist bzw. sind jeweils für sich ohne den anderen Teil zu lesen. Hintergrund ist, dass manche Leser über den Teaser in den Text kommen, andere steigen direkt über den Artikeltext ein. (2) Zwischenüberschriften oder spezielle Wörter werden verwendet, die Suchwörter aufgreifen. Über sie können potenzielle Leser bei Suchmaschinen (meist Google) gewonnen werden, wenn sie sie eingeben. Dies erhöht oft signifikant die Reichweite von Artikeln – und um die geht es. (3) Die Redakteure achten auf Link-Verknüpfungen, damit Beiträge nicht nur über eigene soziale Kanäle weitergegeben werden, sondern auch über andere – meist von denen, über die berichtet wird. Ein Vergleich der beiden DAZ-Versionen ergab, dass sich das digitale Angebot tendenziell durch idiomatischere, lebendigere und farbenfrohere Texte (auch z.B. mit mündlichkeitsnahen Stilisierungen und sprechsprachlich reihendem Satzbau) auszeichnet als die Druckversion, welche in einem Beitrag (Földes 2019) schon ausführlich porträtiert wurde. Mithin handelt es sich nicht einfach um einen „Print-Ableger“. Die festgestellten Unterschiede dürften dabei nicht nur an den Leistungsoptionen des neuen Mediums Internet liegen, sondern nicht zuletzt daran, dass der Online-Auftritt offensichtlich in größerem Anteil als die Papierversion von bundesdeutschen Schreibern gestaltet wird. Es war in doppelter Hinsicht eine Art Dynamisierung der Pressekommunikation zu beobachten, zum einen dank der kreativen Möglichkeiten des Trägermediums und zum anderen aufgrund des mehrsprachigen und interkulturellen Kontaktraums, in dem die DAZ existiert.

Bei kasachstanischen Textproduzenten kann man eine besondere Literalität im Deutschen erkennen. Schreiben ist bekanntlich ein komplexer kognitiver Prozess.30 Feilke (2014, 43) definiert literale Kompetenz als „die Fähigkeit eines Individuums, durch die Rezeption und Produktion schriftlicher Texte an den literalen Praktiken einer Schriftkultur entsprechend den in ihr geltenden Erwartungen zu partizipieren“. Sie ist hierarchisch in drei Ebenen organisiert: die Kultur-, die Handlungs- und die Strukturebene. Auf der primären Ebene (nämlich der Kultur) sind all die Wertsysteme und Normen codiert, welche die kulturspezifischen Erwartungen und Standards in Bezug auf Texte konstituieren.31 Diese kulturellen Erwartungen beeinflussen die auf der sekundären Ebene, der Handlungsebene, angesiedelten Kompetenzen bezüglich Textrezeption und -produktion. Diese Schreibprozesskompetenzen (wie z.B. die Fähigkeit, einen Text planen und überarbeiten zu können) gehen jedoch auch über den Kulturaspekt hinaus; im Zentrum steht die Entwicklung von Problemlösestrategien bei der Textproduktion. Die tertiäre Strukturebene umfasst die gegebenen (z.B. Intelligenz, Arbeitsgedächtnis) und die erworbenen (z.B. Weltwissen, Lexikon) Ressourcen für das Schreiben, welche Einfluss auf die Performanz des Schreibers nehmen (Feilke 2014, 42–49; 2016, 259–260). Die literale Kompetenz kasachstanischer Schreiber ist also, zumal in Bezug auf bestimmte (mediale) Textmuster bzw. Textsorten und Domänen, aus einleuchtenden Gründen meist nicht vergleichbar mit der von bundesdeutschen Journalisten. Es findet gewissermaßen ein Kontakt von Literalitäten statt, der zu einer Art Literalitätshybridität führt. Die Strahlkraft und Wirkmacht der Umgebungssprachen kommen auf verschiedenen Ebenen zur Geltung: vom Wort bis zur pragmatisch-diskursiven Ebene, indem z.B. die Textroutinen z.T. interlingual-interkulturell beeinflusst und die Frames oft kontaktsprachlich induziert sind. Es deutet sich mithin an, dass in einer kulturellen Überschneidungssituation die Medientext-Produktion als kulturelles Ereignis mit einer spezifischen kulturellen Rahmung (und daraus folgend mit unterschiedlichen sprachlichen und zugleich als sprachkulturell begriffenen Normen) zu besonderen Merkmalen in der Performanz und im kommunikativen Stil als Kennzeichen des Mehrsprachigkeitssettings geführt hat. Dabei scheint der Einfluss des Russischen – aufgrund historischer und soziokultureller Zusammenhänge – gewichtiger zu sein als der des Kasachischen.

Zusammenfassend kann man der digitalen Version der DAZ-Textwelt – neben bzw. bei diversen Ausprägungen der Mehrsprachigkeit und der Sprach- bzw. Kulturkontakte sowie den daraus folgenden Kompetenzaspekten – viel Variabilität, Heterogenität und Uneinheitlichkeit und damit eine dynamische Mischung diverser Sprach- und Stilformen attestieren. Dabei weist das Online-Angebot der DAZ infolge seiner weithin ortsauthentischen Diskurse ein charakteristisches Profil auf sowohl mit transkulturellem als auch mit regionalem Kolorit samt einem sich daraus ergebenden pragmatischen Potenzial.

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1 Terminus nach Maletzke (1963, 29–30).

2 In Kasachstan, und so auch in der DAZ, werden die Einwohner in der Regel integrativ – alle ethnischen Gruppen inkludierend – Kasachstaner genannt und im Hinblick auf das Land ist das Adjektiv kasachstanisch üblich, im Gegensatz zu den Bezeichnungen Kasachen und kasachisch, die im Hinblick auf die Ethnie bzw. die Sprache bezogen werden.

3 Zur Begrifflichkeit „ethnischer Journalismus“ bzw. „ethnische Massenmedien“ vgl. z.B. Barsukova (2017) und Kravčenko (2017).

4 Terminologie im Sinne von Künzler/Jarren (2010, 216–230).

5 Typologisch kann man nach Urbán (2017, 245–247) zum einen „simultane Mehrsprachigkeit“ (d.h. Wiedergabe gleicher Inhalte in verschiedenen Sprachen, grundsätzlich für ein Leserpublikum, das nur eine der Publikationssprachen beherrscht) und zum anderen „komplementäre Mehrsprachigkeit“ (d.h. verschiedene Inhalte in verschiedenen Sprachen, grundsätzlich für ein multilinguales Leserpublikum) unterscheiden.

6 Die im Aufsatz verwendeten Formen im generischen Maskulinum beziehen sich natürlich nicht nur auf männliche Personen, sondern sie schließen die verschiedenen Geschlechtsidentitäten ein.

7 Die deutsche Sprache ist auf dem Territorium des heutigen Kasachstan seit mehr als 200 Jahren vielseitig präsent. Nach der Gesellschaftlichen Stiftung „Vereinigung der Deutschen Kasachstans ‚Wiedergeburt‘“ zählt die kasachstandeutsche Minderheit 178.029 Angehörige (Stand 2019), siehe https://agdm.fuen.org/member/Deutsche-Minderheit-in-Kasachstan (Zugriff: 18. März 2022).

8 Dem ifa-Redakteur Christoph Strauch gebührt für seine elektronisch übermittelten freundlichen Informationen über die Redaktionsstruktur herzlicher Dank.

9 Die Praktikanten haben oft einen kasachstandeutschen Hintergrund und wollen mit ihrem Einsatz auch die Heimat ihrer Eltern oder Großeltern kennenlernen.

10 Beispielsweise wird Politik in die folgenden Unterthemen ausdifferenziert: Deutschland, Kasachstan und Zentralasien.

11 Der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) sei für die Förderung bestens gedankt.

12 Salienz als Aufmerksamkeit erzeugende Eigenschaft von Objekten wird im Allgemeinen z.B. von Parkinson (2014, 92) und in der Linguistik z.B. von Boswijk/Coler (2020, 713–721) expliziert. Gleichsam könnte sie etwas vereinfachend auch „Auffälligkeit“ genannt werden. Viele Salienzfälle lassen sich unter fremdheitswissenschaftlicher Perspektive dem Begriff „Xenismus“ zuordnen (siehe Földes 2019, 73).

13 „Kollektion“ wird als Strategie und Instrument wie z.B. in der Konversationsanalyse verwendet (vgl. Deppermann 2020, 656).

14 Diese Vorgehensweise stimmt etwa mit dem sog. korpusgesteuerten („corpus-driven“) Ansatz überein (vgl. Lu/Mohamad Ali/Abdul Ghani 2021).

15 Bei den ermittelten Quantitäten kommt es weniger auf die exakten Zahlangaben, sondern eher auf ‚häufig‘ vs. ‚nicht häufig‘ an.

16 Insofern können diese Belege auch als Grenzfälle zu den kulturbezogenen Salienzen (Abschnitt 4.3) betrachtet werden.

17 Ein Vorkommen gab es auch für Astronaut (Beleg 10; 18.07.2019).

18 Diese Verwendungsweise war übrigens auch im Deutsch der DDR geläufig, vgl. das Wörterbuch von Klappenbach/Steinitz (1978, 672), in dem sie als Neubedeutung figuriert.

19 Groß- und Kleinschreibung wie im Original.

20 Diese Bemühungen um ein „Fenster“ zum Westen lieferten den Grund für den Krieg mit Schweden im sog. „Großen Nordischen Krieg“. Denn Russland war seit 1617 aufgrund seiner faktischen Binnenlandposition vom restlichen Europa abgeschnitten. Erst nachdem Peter I. Sankt Petersburg gegründet hatte, erhielt das Land wieder einen eigenen Hafen, der ausgedehnte Westverbindungen ermöglichte.

21 Indes könnte dabei auch die für die Netzsprache charakteristische Mündlichkeitsnähe eine Rolle spielen.

22 Texte bundesdeutscher Redaktionsmitglieder (z.B. des ifa-Redakteurs) unterscheiden sich in dieser Hinsicht erheblich.

23 Diese Phänomene nennt Karl (2012, 87) „Überproduktion“ bzw. „Simplifizierung“.

24 Eine zweifelsfreie Abgrenzung zwischen Verfremdungseffekten und Flüchtigkeitsfehlern ist allerdings nicht immer möglich.

25 Speziell über kasachische Realien als „Ausdruck der nationalen Kultur“ unterrichtet anschaulich z.B. das illustrierte mehrsprachige Wörterbuch von Bižkenova (2017).

26 Die grammatisch unmarkierte Form wäre: Sollte man kein erfahrener Bergsteiger sein, []. Das generalisierende Personalpronomen man dient der unspezifischen generischen pronominalen Bezugnahme auf Personen und regiert das maskuline (Possessor-)Genus, vgl. Grammatisches Informationssystem „grammis“ (2022).

27 Vgl. auch Beleg (34).

28 Vielleicht wäre eher einer weiteren Variante der Vorzug zu geben, nämlich: Zentralasien-Tour.

29 Vgl. zum Internet-Journalismus allgemein Mast (2018, 391).

30 Vgl. zum Beispiel das in der einschlägigen Forschung intensiv rezipierte Modell des Schreibens von Flower/Hayes (1981).

31 Dieser muss sich eine Person bewusst sein, um einen für diese Kultur angemessenen Text verfassen zu können. Literale Kompetenz beschränkt sich dabei nicht nur auf gesamtkulturelle Unterschiede, sondern auch auf die verschiedenen Subkulturen (beispielsweise die unterschiedlichen Schreibpraktiken in Chatverläufen).