Das Diržiai-Gräberfeld (Gemeinde Žeimelis im Rayon Pakruojis) wurde in die Sammlungsliste der Denkmäler Litauens nach den Probeausgrabungen im Jahre 1957 aufgenommen. Wie die meisten samogitischen (nieder-litauischen) Gräberfelder Litauens wurde es recht stark von zwei riesigen Kiesgruben beschädigt, mehrmals haben es auch die “Liebhaber der Antiquitäten” besucht. In den Jahren 1996-1999 und 2001 wurden archäologische Grabungen wegen des Denkmalschutzes unternommen, d.h. dort, wo durch eine wirtschaftliche Tätigkeit die Ortschaft verwüstet wurde, deswegen war die Mehrheit der hier vorgefundenen Gräber beschädigt (Striškienė, 1998, S. 209-212; 2000, S. 269-271; 2002, S.124). Während der Ausgrabungen (die Ausgrabungen von 1957 mit eingeschlossen) wurden insgesamt 92 Gräber gefunden. Im Gräberfeld wurden die Toten vom 3.Jh. an bis ins 12. Jh.hinein beigesetzt. Die Mehrheit der entdeckten Gräber datiert man ins 8.-9.Jh., einen kleineren Teil in das 6.-7.Jh. bzw. 9.-12.Jh.
In Diržiai, wie im ganzen nördlichen Teil Mittellitauens, wurden die Toten unverbrannt bestattet. Anhand der Beigaben wurde das Geschlecht des Verstorbenen in 63 Gräbern festgestellt. In 20 von ihnen waren Männer beigesetzt, in 25 Frauen und in 18 Kinder. Im 5.-7.Jh. setzte man die männlichen Toten in nordwestliche Richtung bei, die weiblichen in südöstliche. In den Gräbern des 8.-11.Jhs. ändert sich die Richtung der Bestattung: Männer werden in südöstliche und Frauen in nordwestliche Richtung bestattet. Die Gräber aus dem 5.-7.Jh. bilden keine regelmäßigen Reihen, die Mehrheit der Gräber aus dem 8.-12.Jh. bilden dagegen einen ordentlichen Halbkreis.
Obwohl die Beziehungen zwischen den Stämmen in den Gräberfeldern, die in den Grenzgebieten der Stämme liegen, gewöhnlich besonders deutlich zum Vorschein kommen, spiegelt das Diržiai-Gräberfeld, das sich in der Mitte des südlichen Teils von Semgallen befindet, die Beziehungen der Semgallen mit beinahe allen Nachbarnstämmen wider.
Ungeachtet dessen, dass das Gräberfeld recht stark beschädigt ist, hat man während der archäologischen Ausgrabungen viele Funde gemacht, die nicht nur in Bezug auf die Gräberfelder Semgallens unikal sind. Im Grab Nr. 51 (1997) hat man die Reste einer Fußbekleidung gefunden, die wohl keine Analoga im 8.-9.Jh. enthalten, was uns ermöglicht, sich ein deutlicheres Bild von einer Art der Fußbekleidung jener Zeit - von den Bundschuhen - zu machen. Das Grab ist stark zerstört, die Mehrheit der Beigaben, die wohl im Bereich der Brust und Taille lagen, fehlt. Das Grab wurde in der Zone der Gräber des 8.-9.Jhs. gefunden, der weibliche Skelett ist 3200 nordwestlich orientiert. Unter dem Schädel fand man eine zusammen-geklebte Keramikscherbe, in der Nähe der rechten Schulter lag ein Pfriem, mit der Spitze nach oben, daneben waren Fragmente einer bronzenen Kette, zwischen den Oberschenkelknochen fand man 5 Spiralen (Abb.3,4). Die Oberfläche der ledernen Frauenschuhe war gänzlich mit bronzenen Knöspchen, deren Durchmesser 0,6 cm betrug, verziert (insgesamt gab es 1089 Stück davon, je 6-7 Reihen von Knöspchen auf einem Schuh, die Länge der Schuhe betrug 31 cm, die Höhe 10 cm). Damit sich die Schuhe fest am Fuß halten, waren sie mittels eines ledernen Schnürsenkels gebunden und zusammengeschnürt. Die bei der Herstellung des Bundschuhs entstandenen Falten wurden wohl abgeschnitten, deshalb findet man am Vorderteil der Bandschuhe gezahnte Nuten. Im Bereich der Ferse waren beiderseits der Schuhe kleine Schlingen aus Wollgarn erhalten geblieben (Abb. 7, 8).
Die Verzierung der Fußbekleidung an der Fußwurzel durch Knöspelchen war im 8.-9.Jh. für die samogitischen und semgallischen Stämme typisch (Tautavičius, 1996, S.263). Spärliche Reste der männlichen Fußbekleidung hat man in den Männergräbern Nr.20 und Nr.21 aus dem 8.Jh. in Linksmučiai-Gräberfeld (Rayon Pakruojis) gefunden: im Bereich des linken Fußes fand man 4 Reihen bronzener Knöspchen, eine Spirale und eine bronzene Spange (Volkaitė-Kulikauskienė, 1970, S.136). Auch in den Männergräbern Nr. 212, 249 des Maudžioriai-Gräberfeldes hat man einige Reihen bronzener Knöspchen gefunden, die ein 4,5 cm breites Band bildeten, das das Schienbein an der Fußwurzel umgab (Tautavičius, 1996, S. 263).
In Diržiai haben sich die Fragmente der Fußbekleidung dank der Bronze erhalten. Die Technologie der Herstellung der Bundschuhe war an sich nicht kompliziert - ein ganzes Stück Leder wurde um die Ferse herum gezogen und mit Hilfe lederner Riemchen am Fuß fest geschnürt. Doch die ungünstigen Witterungsbedingungen trugen dazu bei, dass die Ledererzeugnisse kaum die Chance hatten, sich länger im trockenen Grund zu erhalten, deshalb verfügte man nur über spärliche Kenntnisse davon, welche Form die Fußbekleidung im mittleren Eisenzeitalter hatte, deswegen war der Fund im Diržiai-Gräberfeld recht informativ. Von Interesse ist die Tatsache, dass die Ferse der Diržiai-Bundschuhe auf die ähnliche Weise geformt wurde wie die jüngeren durchbrochenen Bundschuhe von Brest: in der Ferse wurde eine gleichwinkelige Nute gemacht, wobei in den Bundschuhen von Diržiai in den seitlichen Flügeln Schlingen aus Wollgarn angebracht waren, die mittels eines Riemchens zusammengebunden sein konnten. Garnreste sind nicht erhalten geblieben, deswegen ist es möglich, dass die kleinen Schlingen nicht an die Sohle angenäht waren.
Ein anderer Fund des Diržiai-Gräberfeldes, der ebenso unikal und beachtungswert ist, ist ein bronzener Gelenkbeschlag des Trinkhornes, der im Grab Nr.21 gefunden wurde. Das Grab ist vollständig zerstört, die Grube ist 1400-3200 nach Südost-Nordwest orientiert. Darin war ein Mädchen bestattet. Im südöstlichen Teil des Grabes fand man den Beschlag eines Trinkhornes. Außerdem hat man noch Fragmente eines eisernen Messers, Fragmente bronzener Knöspchen, bronzene Spiralen, ein Knospenknopf aus Zinn, der aus zwei Plättchen hergestellt war (das obere war mit rundlicher Konvexität ornamentiert und hatte einen eingekerbten Saum, das untere hatte zwei Fragmente der Sprossen) (Abb. 9, 10) gefunden. Der Beschlag des Trinkhornes bestand aus drei Teilen (Abb. 11): 1) aus einem dreifachen Beschlag der Öffnung (Durchmesser 6,2-7,8 cm, Breite 4,5 cm), der am Horn durch die Nieten in Form einer 8 befestigt war; 2) dem Beschlag des Bechers (Durchmesser des Fußes betrug 2,6-2,7 cm) und 3) einem Griff, der 10,0 cm lang und 1,1 cm breit war und ein Gelenk enthielt, das die Form eines Halbmondes hatte und 3,2 × 2,3 cm groß war.
Der Umstand, dass der Beschlag in einem zerstörten Grab gefunden war, erschwert seine Datierung. Das Grab Nr. 21 liegt in der Zone der Gräber aus dem 8.-9.Jh. Analoge Beschläge lassen sich im benachbarten Lettland finden.
Die Übersicht der unikalen Funde des Diržiai-Gräberfeldes lässt das Fazit ziehen, dass, ungeachtet eines großen Grades der Zerstörung der Bestattungsdenkmäler, sie im Sinne der wissenschaftlichen Erkenntnis immerhin sehr viel Information enthalten können. In den zerstörten Gräbern hat man viele Beigaben gefunden, die die Taten ins Jenseits begleiten sollten und von den komplizierten Ritualen des Bestattungsprozesses Zeugnis liefern.